68 Buch I. Abschnitt 2. Die Rechte.
endgültig aufgehoben, so würde solch ein Verzicht nicht ausreichen, sondern
der Anspruch müßte neu begründet werden; da er aber der Einrede ungeachtet
fortbestanden hat, bedarf es der Neubegründung nicht.
Beispiele. I. 1. Wenn A. behauptet, dem B. ein am 1. Oktober 07 rückzahlbares Dar-
lehn gegeben zu haben und anfangs 08 dessen Rückzahlung fordert und B. darauf entgegnet,
a) er habe das Darlehn nie empfangen oder b) er habe es zwar empfangen, aber längst
zurückbezahlt oder c) er habe es zwar empfangen und noch nicht zurückbezahlt, rechne aber
eine gleich hohe fällige Gegenforderung, die ihm wider A. zustehe, gegen die Darlehnsschuld
auf, so sind das alles keine Einreden. Denn alle drei Entgegnungen B.3 laufen darauf
hinaus, daß der von A. behauptete Darlehnsanspruch gegen B. entweder nie bestanden habe
(a) oder nachträglich erloschen sei (b, c). Sie bedeuten also nicht, daß B. eine Leistung, die
A. von ihm zu fordern habe, kraft eines Gegenrechts zu verweigern befugt sei, sondern daß
dem A. eine Forderung gegen B. überhaupt nicht zustehe. 2. Dagegen liegt eine echte Einrede
vor, wenn B. behauptet, A. habe ihm das am 1. Oktober 07 fällig gewordene Darlehn Ende
Dezember 07 auf weitere drei Jahre gestundet. Denn aus 202 I geht hervor, daß eine derartige
Stundung den Darlehnsanspruch als solchen unverändert foribestehn läßt, aber dem Schuldner
das Gegenrecht gibt, die geschuldete Leistung (vorübergehend) zu verweigern: eben hierin liegt
aber das Charakteristikum der echten Einrede. II. C. muß eine fremde Sache, die er bisher
für die seinige hielt und als solche gutgläubig in Besitz hatte, dem wahren Eigentümer D.
herausgeben, macht aber an der Sache ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten geltend,
die er auf die Sache verwendet habe; D. räumt ein, daß C. an und für sich zur Zurück-
behaltung der streitigen Sache wegen jener Kosten befugt sei, beruft sich aber darauf, daß
C. ihm die Erstatiung der Kosten auf ein Jahr gestundet habe." Hier ist das Zurück-
behaltungsrecht des C. Einrede, das gegen diese Einrede gerichtete auf der Stundung der
Kosten beruhende Gegenrecht des D. ist Replik. III. E. klagt gegen F. auf Zahlung von
dreimal 1000 Mk.; die ersten 1000 Mk. sind ein Darlehn, das E. dem eben verstorbenen
Vater F.s gegeben hat: F. soll es als Erbe seines Vater bezahlen; die zweiten 1000 Mk.
sind der Kauspreis für ein Feld, das E. dem F. verkauft hat; die dritten 1000 Mk. sind
Mietzinsen für ein Haus, das E. dem F. vormals vermietet hatte, und die seit fünf Jahren
rückständig sind; F. entgegnet: wegen der ersten 1000 Mk. müsse E. sich bis zum Ablauf der
den Erben zustehenden dreimonatigen Wartefrist gedulden (2014); die zweiten 1000 Mk.
dürfe E. nur fordern, wenn er das verkaufte Haus, was bisher nicht angeboten, Zug um Zug
gegen die Zahlung ihm, dem F., übergebe und auflasse (433, 925, 320); die dritten 1000 Mk.
könne E. gar nicht fordern, weil sie verjährt seien (197). Hier erhebt F. drei verschiedene
Einreden; die erste ist aufschiebend, weil sie nur drei Monate lang wirksam ist; die zweite
ist gleichfalls ausschiebend, weil E. sie dadurch beseitigen kann, daß er das Haus dem F.
übergibt und aufläßt; die dritte ist dagegen dauernd, weil sie das Forderungsrecht E.s für
immer entkräftet. IV. 1. G. hat sich für zwei Forderungen des H. gegen den J. verbürgt,
für die eine mündlich, für die andre schriftlich; nun verklagt H. den G. auf Bezahlung der
beiden Schulden und erzählt in der Klage außer dem obigen Sachverhalt noch weiter,
daß der Hauptschuldner J. zwar zahlungsfähig, aber in bedrängter Lage sei und daß er,
H., deshalb die Zahlung nicht von J., sondern von dem reichen G. fordere; G. erscheint in
dem Verhandlungstermin nicht und wird von dem Gericht dem Klagantrage gemäß ver-
urteilt. Hier ist das Urteil falsch in Ansehung der mündlich, richtig in Ansehung der
schriftlich übernommenen Bürgschaft. a) Das Urteil ist salsch in Ansehung der mündlich
übernommenen Bürgschaft. Denn diese ist ungültig (766); H. hatte also aus ihr keinerlei An
sprüche; das Gericht hätte deshalb seine Klage, soweit sie auf diese Bürgschaft gegründet war,
abweisen müssen, auch wenn G. sich gar nicht verteidigte. Denn gegen eine Klage, die von
vornherein unbegründet ist, braucht man sich nicht erst zu verteidigen. b) Das Urteil ist
richtig in Ansehung der schriftlich Uübernommenen Bürgschaft. Denn diese Bürgschaft ist gültig.
Freilich hätte G. verlangen können, daß H. nicht ihn, sondern den Hauptschuldner J. be-
2) Beispiel und Entscheidung nach Zitelmann, Grundriß S. 29.