86 Buch III. Abschnitt 2. Besitz und Inhabung.
I. Der Anspruch setzt voraus (867 Satz 1),
1. daß eine bewegliche Sache auf ein im Besitz des Anspruchsgegners
befindliches Grundstück geraten ist, sei es zufällig, sei es durch eine eigne
Handlung des Besitzers der Sache;
2. daß weder der Anspruchsgegner noch ein Dritter die Sache in Besitz
genommen hat.
Beispiele. I. A. spielt mit Bällen, die er selber mitgebracht, auf dem Grundstück des
B. Tennis; ein Ball fliegt über die Grenze auf das Nachbargrundstück des C. Hier kann
A. von C. fordern, daß dieser ihm das Aufsuchen und Abholen des Balls gestattet. Dabei
macht es nichts aus, ob der Ball zufällig hinübergeflogen oder von einem der Mitspieler
oder gar von A. selbst aus Ubermut absichtlich über die Grenze geworfen ist. Ebenso ist
es gleichgültig, ob der Ball dem A. gehört oder ob A. ihn etwa rechtmäßig oder unrecht-
mäßig dem D. fortgenommen hat. Ja der Anspruch steht dem A. sogar dann zu, wenn er
den Ball dem C. selber gestohlen hatte; doch wird C. sich in diesem Fall auf sein Eigentum
oder seinen älteren Besitz am Ball oder auf seinen Deliktsanspruch gegen A. einredeweise
berufen können. II. Dagegen fällt der Anspruch fort, sobald C. selber oder der im Garten
C. arbeitende Gärtner E. den Ball in Besitz nimmt; A. ist also in diesem Fall auf andre
Ansprüche, insbesondre den im vorigen Paragraphen behandelten Herausgabeanspruch, be-
schränkt. Und hierbei muß es, wenn man dem Wortlaut des Gesetzes trauen darf, selbst
dann verbleiben, wenn C. oder E. den Ball nach erfolgter Besitznahme wieder fortwirft!!
Gleichgültig ist, ob der Besitzer der Sache dadurch, daß sie auf das Grundstück des
andern geraten ist, seinen Besitz verloren hat oder nicht.5
II. Das Ziel des Anspruchs ist, daß der Gegner dem Anspruchsberech-
tigten das Aufsuchen und Wegschaffen der Sache gestattet (867 Satz 1).
Doch kann der Gegner Ersatz des ihm durch das Aufsuchen und Wegschaffen
erwachsenden Schadens fordern, mag er vom Anspruchsberechtigten verschuldet
sein oder nicht; ist die Entstehung eines solchen Schadens zu besorgen, so kann
er sogar vorherige Sicherheitsleistung verlangen, es sei denn, daß Gefahr im
Verzuge ist (867 Satz 2, 3). 6
Beispiel. In dem zu 1 genannten Fall darf A. nicht etwa eigenmächtig in das
Grundstück des C. eindringen, um den Ball zu holen, sondern muß C. um Erlaubnis bitten
und, wenn sie verweigert wird, darauf klagen. Liegt der Ball auf einem Blumenbeet C.3,
so muß er für den Schaden Ersatz leisten, den das Beet durch das Suchen nach dem Ball
erleidet.
Ist der Schaden, der dem Gegner droht, unverhältnismäßig groß, so wird dieser den
Abholungsanspruch ganz zurückweisen dürfen (s. 904); Beispiel: in dem zu I genannten Fall
ist der Ball mitten auf einen eben frisch gesäten Rasenplatz geflogen.
III. Einreden aus eignem besseren Recht sind dem Gegner unbenommen.“
Ein Beispiel s. oben zu I, erster Fall.
0) Die Ermächtigung des Besitzers zur Selbsthülfe.
§ 192.
Zur Selbsthülfe ist sowohl der vormalige Besitzer gegen den jetzigen
wie auch der jetzige Besitzer gegen einen Nichtbesitzer ermächtigt.
5) Abw. Biermann, Anm. 1b zu § 867. 6) Abw. Wolff S. 41 .