§ 192. Selbsthülfe. § 193. Besitzverlust. 89.
Fall; nur war B., ohne daß A. dies wußte, bei der Übergabe geisteskrank. Hier hat B.
ben Besitz nicht gewonnen, A. ihn nicht verloren.
II. Der Besitzer verliert seinen Besitz ferner dadurch, daß er auf die tat-
sächliche Herrschaft über die Sache Verzicht leistet (s. 856 1). Dazu genügt
eine einseitige formlose Willensäußerung seinerseits. Nicht nötig ist, daß der
Besitzer dabei zugleich seine räumlichen Beziehungen zu der Sache ändert;
dem wenn zum Erwerbe der tatsächlichen Herrschaft die Herstellung einer
bestimmten räumlichen Beziehung zwischen Sache und Erwerber nicht genügt,
sondern außerdem der Regel nach ein Besitzwille auf seiten des Erwerbers er-
forderlich ist, so wird auch zur Aufhebung der tatsächlichen Herrschaft die
Fortdauer jener räumlichen Beziehung nicht genügen, sobald der Besitzwille
auf seiten des Erwerbers nachträglich in sein Gegenteil verkehrt ist.“
Beispiele. I. A. kann seinen Besitz an einem Hunde durch einen bloßen Zuruf an den
Hund aufgeben, auch wenn der Hund so anhänglich ist, daß er sich nicht fortjagen läßt.
Denn seine Gewalt über den Hund ist fortab keine „Herrschaft“ mehr. II. B. hat einen
Überzieher, den ein Gast bei ihm vergessen, in Besitz genommen, weil er ihn für seinen
eignen hielt; tags darauf wird er von seiner Frau auf den Irrtum aufmerksam gemacht.
Hier kann er seinen Besitz durch eine Mitteilung an die Frau aufgeben und dabei den Über-
zieher ruhig hängen lassen, wo er hängt; denn auch damit hat er seiner Gewalt über die
Sache den Herrschaftscharakter genommen.
Die Verzichtleistung auf den Besitz ist nicht empfangsbedürftig, schon deshalb nicht,
weil es an einer Adresse fehlt, an die sie zu richten wäre. Sie ist sowenig rechtsgeschäftlicher
Natur wie die Besitzergreifung, kann also auch von einem Kinde rechtswirksam vor-
genommen werden.
III. Der Besitzer verliert seinen Besitz endlich dadurch, daß er die tatsäch-
liche Herrschaft über die Sache ohne seinen Willen einbüßt, es sei denn, daß
die Einbuße ihrer Art nach bloß vorübergehend war (s. 856).
Beispiele. I. Wenn Al. seinen Schirm in einem großen Walde hat stehn lassen, aber
nicht weiß, wo, so hat er den Besitz daran fofort verloren. Denn es ist ja nicht sicher, ob
er ihn wiederfinden wird. II. Weiß er dagegen die Stelle noch, so bleibt sein Besitz unter
Umständen so lange fortbestehn, bis ein andrer den Schirm fortnimmt. Denn so lange kann
je nach Lage des Falls angenommen werden, daß er die Herrschaft über den Schirm wird
murückgewinnen können.
2. HDer mittelbare Besitz erster Stufe.
a) Begriff und Arten des mittelbaren Besitzes erster Stufe.
§ 193 a.
I. 1. a) Jemand hat an einer Sache den mittelbaren Besitz erster
Stufe, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (s. 868):
1) Abw. die 4. Aufl. d. Buchs Bd. 2 S. 96; Wolff S. 321.
29 Biermann, Anm. 2 zu § 856; abw. Endemann II, 1 S. 222 ½.