Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

90 Buch III. Abschnitt 2. Besitz und Inhabung. 
a)Ein andrer muß im unmittelbaren Besitz der Sache sein. 
5) Der andre muß zu diesem seinem Besitz dem mittelbaren Besitzer 
gegenüber „auf Zeit“" berechtigt oder verpflichtet sein. Ob die Zeit kurz oder 
lang ist, macht nichts aus. 
)) Der andre muß zu dem mittelbaren Besitzer im Verhältnis eines 
Nießbrauchers oder Pfandgläubigers zum Eigentümer oder im Verhältnis eines 
Pächters oder Mieters zum Verpächter oder Vermieter oder im Verhältnis 
eines Verwahrers zum Hinterleger oder in irgendeinem andern ähnlichen Ver- 
hältnis stehn, dergestalt, daß ihm gegenüber der mittelbare Besitzer als der 
Oberherr der Sache erscheint. Gleichgültig ist, ob die Oberherrschaft eine 
starke oder eine schwache ist und demgemäß der Oberherr einen großen oder 
nur einen geringen Einfluß auf die Sache hat. 
0) Der andre muß das eben bestimmte Verhältnis zum mittelbaren Be- 
sitzer oder einem seiner Vorgänger bei der erstmaligen Begründung des mittel- 
baren Besitzes tatsächlich anerkannt und darf dies Anerkenntnis nachträglich 
nicht dauernd zurückgenommen haben. 
Beispiele. I. 1. A. hat sein Haus dem B. vermietet, und B. hat als Mieter dort 
seinen Einzug gehalten. Hier ist fortab B. unmittelbarer, A. mittelbarer Besitzer des Hauses. 
2. a) C. hat dem Uhrmacher D. seine Uhr zur Ausbesserung übergeben. Hier ist fortab D. 
unmittelbarer, C. mittelbarer Besitzer der Uhr; zwar ist das Verhältnis zwischen Werkbe- 
steller und Werkunternehmer im Gesetz nicht auedrücklich als Grundlage des Besitzes ge- 
nannt; aber es ist — nicht immer, aber doch in dem eben genannten Fall — den andern 
Verhältnissen, die das Gesetz als solche Grundlage ausdrücklich namhaft macht, „ähnlich“, 
da C., auch während die Uhr sich zum Zweck der Ausbesserung bei D. befindet, gegenüber D. als 
Oberherr der Uhr erscheint. b) E. hat ein Frachtgut der Eisenbahn zur Beförderung an F. 
übergeben. Hier ist fortab die Eisenbahn unmittelbarer, E. mittelbarer Besitzer des Fracht- 
guts, aus analogem Grunde, wie dem zu a genannten. Ob und wann auch F., der Adressat 
der Sendung, den mittelbaren Besitz des Guts erlangt, sei hier dahingestellt, da die Frage 
nur im Frachtrecht erörtert werden kann. c) G. hat dem H. ein Pferd auf Probe verkauft 
und übergeben. Hier ist H. fortab unmittelbarer und G. — wenigstens so lange, als H. 
nicht den Kauf durch „Billigung“ des Pferdes endgültig gemacht hat, — mittelbarer Besitzer 
des Pferdes, wiederum aus analogen Gründen, wie den zu a genannten. II. 1. J. hat 
dem K. einen Kanarienvogel zur Aufbewahrung gegeben; das Tier ist aber dem K. fortge- 
flogen. Hier hat nicht bloß K. seinen unmittelbaren, sondern auch J. seinen mittelbaren 
Besitz verloren, da letzterer nur auf der Grundlage des ersteren bestehn kann. 2. L. hat seinen 
Hund fortgejagt; M., ein Bekannter des L. hat den Hund im Glauben, daß er dem L. 
fortgelaufen sei, an sich genommen und verwahrt ihn für den L. Hier ist M. unmittelbarer, 
nicht aber L. mittelbarer Besitzer des Tiers. Allerdings nimmt M. an, daß der Hund dem 
L. verloren gegangen und er, M., gegenüber dem L. zum Besitz des Hundes nur auf Zeit 
berechtigt und zugleich zu diesem Besitz auch auf Zeit verpflichtet sei. Doch ist diese An- 
nahme irrig: in Wirklichkeit ist M. gegenüber L. zum Besitz des Hundes auf immer be- 
rechtigt und gar nicht verpflichtet. 3. N. hat dem O. ein Klavier verkauft und sich ver- 
pflichtet, das Klavier dem O. auf Verlangen sofort zuzusenden; O. verlangt aber die Zu- 
sendung erst nach 14 Tagen. Hier ist in der Zwischenzeit N. unmittelbarer, nicht aber auch 
O. mittelbarer Besitzer des Klaviers. Allerdings ist N. nach dem Verkauf gegenüber O. 
zum Besitz des Klaviers nur auf Zeit berechtigt und zugleich zu diesem Besitz auch auf Zeit 
verpflichtet. Doch ist das Verhältnis zwischen N. und O. nicht denjenigen Verhältnissen 
ähnlich, die das Gesetz ausdrücklich als geeignete Grundlage des mittelbaren Besitzes nam- 
haft macht; denn N. ist ja noch Eigentümer des Klaviers geblieben und trägt noch dessen
	        
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