122 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum.
Beispiele. I. A. wirft dem Bettler B. eine Mark zu, und B. nimmt sie dankend an.
Hier fallen der eigentliche Ubereignungs= und der Übergabevertrag zusammen. II. C. ver-
einbart am 1. Mai mit D., daß er ihm eine bei dem Bankier E. verwahrte Aktie der
Dresdner Bank schenke, und übernimmt es zugleich, dem E. die Aushändigung des Papiers
an D. aufzutragen; er erteilt denn auch diesen Auftrag tatsächlich, und am 5. Mai liefert E.
das Papier auftragsgemäß dem D. aus. Hier liegt es nahe, gleichsalls ein Zusammenfallen
des eigentlichen Ubereignungs= und des Übergabevertrages anzunehmen, nämlich beide Ver-
träge in dem Akt der Aushändigung der Aktie von E. an D. vereinigt zu denken. In-
des wäre diese Annahme irrig; denn E. weiß ja gar nicht, ob D. das Papier zu Eigentum
oder zu Pfandrecht oder vielleicht bloß zur Aufbewahrung erhalten soll; es findet also zwischen
ihm und D. eine Einigung über das Eigentum des Papiers durchaus nicht statt; diese
Einigung kommt vielmehr unmittelbar zwischen C. und D. zustande und ist bereits in der
Schenkung vom 1. Mai enthalten.
2. Der ÜUbereignungsvertrag und die Übergabe sind vorbehaltlich der
Regeln des folgenden Paragraphen für die rechtsgeschäftliche Ubereignung von
Fahrnis gleich wesentlich: weder die Übergabe ohne Übereignungsvertrag noch
der Übereignungsvertrag ohne Übergabe gibt dem Erwerber Eigentum.
Beispiel. Man nehme in dem zweiten Beispiel zu 1 an, daß C. dem E. irrtümlich
die Aushändigung einer Aktie der Diskontogesellschaft an D. aufträgt und E. diesen Auftrag
auch ausführt. Hier erlangt D. Eigentum weder an der geschenkten Dresdner noch an der
übergebenen Diskontoaktice, auch wenn eine (etwa zulässige) Anfechtung der Aushändigung
wegen Irrtums unterbleibt; denn dort fehlt der Übergabe-, hier der eigentliche Üübereig-
nungsvbertrag.
3. Maßgebender Zeitpunkt für den Eigentumsübergang ist der Augenblick,
in dem sowohl Ubereignungsvertrag als Ubergabe wirksam geworden sind.
Beispiel. In dem zweiten Fall zu 1 erlangt D. das Eigentum erst am 5. Mai.
II. 1. Der Übereignungsvertrag im engern Sinn kann formlos, ja still-
schweigend abgeschlossen werden.
Beispiele. I. A. hat dem Bibliotheksdirektor B. für dessen Bibliothek schon viele
Schenkungen gemacht und ihm auch neuerdings wieder versprochen, ein großes wissenschaft-
liches Nachschlagewerk der Bibliothek zwecks Aufstellung im Lesesaal zu schenken; bald darauf
sendet er auch das Werk mit dem kurzen Vermerk „für den Lesesaal“ an die Bibliothek und
empfängt von B. den herzlichsten Dank für die große Liebenswürdigkeit; später verlangt A.
die Rückgabe mit der Behauptung, er habe bei der Zusendung gar nicht an sein früheres,
übrigens ungültiges Schenkungsversprechen gedacht und das Werk dem Lesesaal nur leih-
weise überlassen. Hier ist A. im Unrecht; denn nach Lage des Falls ist in der Zusendung
des Werks eine stillschweigende Ubereignung zu sehn, die zugleich das mündliche Schenkungs-
versprechen A.## nachträglich rechtswirksam machte. II. Gleicher Fall; nur hat A. der
Bibliothek noch nie eine Zuwendung gemacht und auch die Schenkung des Nachschlagewerks
an die Bibliothek dem B. nicht versprochen. Hier ist A. im Recht; denn es geht nicht an,
unter diesen Umständen in der Zusendung des Werks eine stillschweigende Ubereignung
zu erblicken.
2. Für jede der Parteien kann beim Abschluß des Übereignungsvertrages
kraft gehöriger Vertretungsmacht ein Stellvertreter tätig werden, ja sogar ein
gemeinschaftlicher Vertreter für beide Parteien (181). Hierbei bedürfen zwei
Fragen der Erörterung.
aà) Ist die Ubereignung nicht auch dann gültig, wenn sie von einem Ver-
treter des Veräußerers ohne Vertretungsmacht ausgeht, sofern dieser im Besitz