136 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum.
1. Die Aneignung wird dadurch vollzogen, daß der Erwerber die herren-
lose Sache in seinen Eigenbesitz nimmt (958 1).
2. Die Aneignung gibt dem Erwerber Eigentum, ohne daß er es weiß
oder will: er braucht nur den Erwerb des Eigenbesitzes, nicht auch den des
Eigentums gewollt zu haben; dies ist namentlich dann wichtig, wenn er eine
herrenlose Sache in Eigenbesitz nimmt, von der er meint, sie stehe in fremdem
Eigentum. Trotzdem ist die Aneignung ein Rechtsgeschäft und kann deshalb
von einem Geschäftsunfähigen nicht gültig vorgenommen werden. Denn sie
verlangt zwar nicht einen auf Erwerb von Eigentum, aber doch einen auf Er-
werb von Eigenbesitz gerichteten Willen, und das genügt, um ihr rechtsgeschäft-
lichen Charakter zu verleihn (s. oben Bd. 1 S. 1529).1
3. Die Aneignung ist unwirksam, wenn sie gesetzlich verboten war (958 II).
Hiernach wird z. B. ein in der Schonzeit erbeutetes Wild nicht Eigentum des Jägers,
sondern bleibt herrenlos. A. M. Biermann zu § 958, weil in der Schonzeit nicht die An-
eignung, sondern nur die Tötung des Wildes verboten sei. Indeß verbietet z. B. das
pr. Ges. v. 14. 7. O4 nicht bloß das Töten, sondern auch das Einsangen von Wild während
der Schonzeit.
4. a) Die Aneignung ist bezüglich der meisten Sachen jedermann gestattet:
jedermann erlangt also ihr Eigentum, sobald er sie in Eigenbesitz nimmt, selbst
wenn er die Sachen auf einem fremden Grundstück antrifft und die Besitz-
nahme gegen den Willen des Grundstücksbesitzers vollzieht.
Beispiel. Hierher gehören Sachen, die der bisherige Eigentümer fortgeworfen hat,
ferner Fische und Krebse in der See, sonstige wilde Tiere, soweit sie nicht jagdbar sind, z. B.
nach preußischem Recht wilde Kaninchen. Uber Bienen s. 961 ff.
b) Bei andern Sachen steht das Aneignungsrecht bloß bestimmten Per-
sonen zu. Hier ist die Aneignung rechtswirksam nur, wenn sie gerade von
dem Berechtigten ausgeht oder wenigstens von ihm genehmigt ist. Geht sie
dagegen von einem Unbefugten aus, so bleibt die Sache herrenlos (958 11):
weder der Unbefugte noch der Berechtigte erlangen das Eigentum.
Beispiel. Hierher gehören alle jagdbaren Tiere, ferner Fische und Krebse in offenen
Binnengewässern, gewisse Mineralien. Die Einzelheiten fallen in das Jagd-, Fischerei= und
Bergrecht und sind deshalb hier nicht darzustellen.
II. Nießbrauchs= und Pfandrechte, die auf der Sache ruhn, werden durch
die Aneignung nicht berührt.
Beispiel. A. entreißt eine ihm gehörige, dem B. als Pfand gegebene Sache dem B.
und wirft sie, um sein Eigentum preiszugeben, ins Wasser; C. fischt sie dort auf. Hier
wird C. Eigentümer, B.s Pfandrecht bleibt aber in Kraft.
1) Manigk, S. 543. Abw. Eltzbacher, Handlungsfähigkeit (03) S. 217; Gierke, D.
PrR. 2 S. 528.