Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

148 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum. 
ein Landgut zu Nießbrauch oder Pacht überlassen; D. hat dabei irrtümlich angenommen, 
daß ein unbebautes Stück Moorland, das an das Gut grenzt, dazu gehöre, und man kann 
darin keine grobe Fahrlässigkeit finden, da das Moor noch kein Grundbuchblatt erhalten 
hat, eine Grenzmarkierung zwischen Moor und Gut nicht erkennbar ist und die Üüber- 
gabe des Guts sehr summarisch geschah; D. macht nun das Moor mit vieler Mühe urbar 
und erzielt endlich in einem guten Jahr eine schöne Ernte; dadurch wird der Fiskus auf das 
Moor aufmerksam und beansprucht es mit Erfolg als sein Eigentum. Hier ist D., wenn 
er das Moor als angeblicher Nießbraucher in Besitz genommen hat, Eigentümer der Ernte 
geworden. Dasselbe ist auch dann der Fall, wenn er als Pächter des Moors aufgetreten 
ist; freilich steht dem der Wortlaut des Gesetzes entgegen; denn das Gesetz gibt dem angeb- 
lichen Pächter ein Anfallsrecht nur, wenn ihm der Fruchtbezug auf dem angeblichen Pacht- 
grundstück von irgend jemandem „gestattet“ worden ist, und daß dem D. die Bebauung 
des Moors von jemandem positiv gestattet wäre, läßt sich nicht behaupten; doch glaube ich, 
daß hier nur ein Redaktionsfehler vorliegt und daß es in Wirklichkeit genügt, wenn der 
angebliche Pächter sich ohne grobe Fahrlässigkeit einbildet, er habe gepachtet. 
b) Das Anfallsrecht des Eigentümers und dessen, der das Eigentum un- 
befugt ausübt, erstreckt sich auf Früchte aller Art. Dagegen gelten die übrigen 
Anfallsrechte nur für solche Früchte, auf die sich das dem Berechtigten zu- 
stehende oder von ihm unbefugt ausgeübte Fruchtgewinnungsrecht bezieht; dem- 
gemäß geht, wie später zu zeigen sein wird, das Anfallsrecht des Nießbrauchers 
und dessen, der den Nießbrauch unbefugt ausübt, erheblich weiter als das Anfalls- 
recht des Pächters und dessen, der das Pachtrecht unbefugt ausübt (s. unten § 239). 
Beispiel. A. hat ein Waldgrundstück mit einem Nießbrauch zugunsten des B. belastet, 
und B. hat es dem C. pachtweise überlassen; auf dem Grundstück kommt ein großer Wind- 
bruch vor. Hier gehören die vom Winde umgebrochenen Stämme dem B.; denn sie fallen 
nicht unter das Pacht-, wohl aber unter das Nießbrauchsrecht. 
J0) Kollidieren in Ansehung der nämlichen Muttersache und der nämlichen 
Früchte mehrere Anfallsrechte, so nimmt das Anfallsrecht des unbefugten Nutz- 
nießers den ersten, das des Eigentümers den letzten Rang ein, während der 
Rang der übrigen Anfallsrechte von verschiedenen Umständen, insbesondre von 
der Zeit ihrer Begründung, abhängt. 
d) Sämtliche Anfallsrechte werden von Gesetzes wegen wirksam, auch 
wenn der Berechtigte den Eigentumserwerb nicht will oder nichts von ihm 
weiß. Sie greifen demgemäß auch dann Platz, wenn die Trennung der 
Früchte ohne den Willen des Anfallsberechtigten, etwa durch den Eingriff eines 
Unbefugten oder durch Zufall, vor sich geht. 
e) In manchen Fällen wird der Wert des Anfallsrechts dadurch abge- 
schwächt, daß der Anfallsberechtigte den Personen, denen er kraft seines Rechts 
Früchte entzieht, in Höhe seiner Bereicherung oder gar darüber hinaus ersatz- 
pflichtig wird; namentlich gilt das für das Anfallsrecht des unbefugten Nutz- 
nießers (a 0): dieser muß, wenn er von dem Eigentümer der Muttersache auf 
Herausgabe verklagt wird, alle Früchte, die er seit Erhebung der Klage zieht, 
dem Kläger herausgeben, obschon er, wenn er die Klage für unbegründet hält, 
seinen Rechtsmangel durch die Klage nicht „erfährt“, also nach der Regel zu a 3 
formell Eigentümer der Früchte wird (s. unten S. 164 VI, 1; 166, 4).
	        
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