8 206. Eigentumserw. a. getr. Sachbestandteilen. 8 209. Eingriff i. fremd. Eigentum. 151
unterworfen, denen auch die Inhaber aller andern Rechte unterliegen, insbe-
sondre dem allgemeinen Schikaneverbot (oben Bd. 1 S. 341).
II. Außerdem gibt es Beschränkungen, die eine Besonderheit des Eigen-
tumsrechts und der von ihm abgeleiteten oder ihm analog zu behandelnden
Rechte bilden.
1. Der Eigentümer einer Sache darf einen Eingriff in sein Eigentum,
der erforderlich ist, um von irgend jemandem irgendeine gegenwärtige Gefahr
abzuwenden, nicht verbieten, sofern der Schaden, den die Gefahr dem andern
droht, unverhältnismäßig größer ist als der Schaden, den er selber durch den
Eingriff erleiden wird (904 Satz 1). Selbstverständlich muß aber der Ur-
heber 1 des Eingriffs Schadensersatz leisten, ohne Rücksicht darauf, ob ihm ein
Verschulden zur Last fällt oder nicht; doch braucht er den Ersatz erst nach-
träglich zu gewähren und vorher nicht einmal eine Sicherheit zu bestellen
C 904 Satz 2).
a) Die Regel gilt für alle Arten von „Eingriffen" in fremdes Eigentum:
der Eigentümer muß es also dulden, daß seine Sache ihm fortgenommen, daß
sie beschädigt, ja daß sie zerstört wird.
b) Die Regel gilt für alle Arten von „Gefahren“. Es ist also gleich-
gültig, ob die Gefahr Leben oder Gesundheit, Sittlichkeit oder Freiheit, Ehre
oder Vermögen einer Person betrifft. Es ist ferner gleichgültig, ob die Gefahr
gerade den Urheber des Eingriffs oder irgendeinen Dritten bedroht, der den
Eingriff vielleicht gar nicht kennt oder gar nicht wünscht. Gleichgültig ist
auch, ob die Sache, die Gegenstand des Eingriffs ist, irgendwie mit der abzu-
wendenden Gefahr zusammenhängt. Gleichgültig ist schließlich, ob die Gefahr
von dem Gefährdeten oder dem Urheber des Eingriffs schuldhaft oder gar
absichtlich herbeigeführt ist.
Beispiele. I. Zwei Zuchthäusler entspringen aus ihrem Gewahrsam und irren an
einem Winterabende im Gebirge umher, bis sie wegen Hungers und Müdigkeit in einem
einsamen Bauernhof Halt machen müssen. Hier darf ihnen der Bauer nicht verbieten, daß
sie sich in seiner Speisekammer ein einfaches Abendessen zusammenstellen und sich auf dem
Boden ein Nachtlager bereiten. II. In der Nacht versucht einer der Gesellen, bei dem Bauern
einzubrechen, kommt dabei zu Fall und verletzt sich. Hier darf der Bauer es nicht verbieten,
daß der andre sich aus dem Stall ein Pferd holt, um rasch einen Arzt herbeizurufen.
c) Der Eigentümer darf den Eingriff in sein Eigentum „nicht verbieten“.
Daraus folgt aber nicht, daß, wenn er es doch tut, der Gefährdete oder sein
Helfer das Verbot einfach unbeachtet lassen und den Eingriff eigenmächtig vor-
nehmen dürfte. : Vielmehr ist die Meinung des Gesetzes nur, daß der Eigen-
tümer sich durch das Verbot einer Rechtsverletzung schuldig macht und im Fall
der Fahrlässigkeit schadensersatzpflichtig ist.
Beispiel. A. und B. bemerken, als sie aus einer Gesellschaft nach Hause gehn wollen,
1) Ouer bei Bernhöft & Binder S. 303. Abw. Biermann Anm. 3 zu § 904.
2) Über diese Streitfrage s. oben Bd. 1 S. 345“. Gegen mich außer den dort genannten:.
Luer dei Bernhöft & Binder S. 292, Crome 1 S. 539 ½° u. a.