Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

164 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum. 
Eigentum des Vindikanten und der Besitz des Gegners fest, so ist ebendamit 
die Vindikation gerechtfertigt. Der Vindikant braucht sich also, anders als bei 
der alsbald zu besprechenden Vindikation von Fahrnis, darüber nicht aus- 
zulassen, wie es zugegangen, daß nicht er, sondern der Gegner im Besitz sst. 
V. 1. Die Vindikation geht gegen den jeweiligen Besitzer des Grund- 
stücks 1, mag er seinen Besitz fehlerhaft oder fehlerfrei, schlecht= oder gutgläubig 
erlangt haben (985). Besteht an dem Grundstück ein mittelbarer Besitz, so 
geht die Vindikation sowohl gegen den Unter= wie gegen den Oberbesitzer 
(aber ZP. 76).: Büßt der Besitzer den Besitz ein, so wird er damit von 
selbst vindikationsfrei (s. aber unten S. 165, 2). 
2. Dagegen ist eine Vindikation gegen einen bloßen Inhaber unzulässig. 
VI. Die Vindikation hat zu ihrem Hauptziel die Herausgabe des Grund- 
stücks. Sie kann aber auch auf gewisse andre Leistungen gehn. 
1. a) Die vornehmste Leistung, die der Vindikant außer der Herausgabe 
des Grundstücks beanspruchen kann 3, ist die Herausgabe oder Vergütung von 
Grundstücksnutzungen, die der Besitzer tatsächlich gezogen oder, obschon 
er sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft hätte ziehn können, 
schuldhafterweise nicht gezogen hat (fructus percepti, fructus neglecti). Und 
zwar haftet ein Besitzer, der bei seinem Besitzerwerbe in schlechtem Glauben 
war — d. h. der damals gewußt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht 
gewußt hat, daß sein Erwerb ein unrechtmäßiger sei —, auf die Herausgabe 
dieser Nutzungen von Anfang an; ein andrer Besitzer ist dagegen erst von dem 
Zeitpunkt ab haftbar, in dem er seinen Rechtsmangel nachträglich erfahren hat 
oder in dem die Vindikation gegen ihn rechtshängig geworden ist, während er 
wegen der vorher gezogenen oder schuldhafterweise nicht gezogenen Nutzungen 
haftfrei ist (s. 987, 990 1, 993 1). Für die Auseinandersetzung zwischen Eigen- 
tümer und Besitzer wegen der herauszugebenden Nutzungen gelten die all- 
gemeinen, bereits früher dargestellten Regeln (993 II; s. oben Bd. 1 S. 140). 
Beispiele. I. Der Rentner A. hat ein ihm gehöriges Haus an seinen Sohn, der den- 
selben Vornamen führt wie er und sich gleichfalls Rentner nennt, vermietet; der Sohn benutzt 
diese Umstände, um das Haus dem B. zu verkaufen, zu übergeben und aufzulassen, und es 
gelingt ihm leicht, sowohl den B. wie das Grundbuchamt zu täuschen; nachdem das Haus 
im Grundbuch auf B.s Namen umgeschrieben worden, hat B. es vom 1. April 1910 ab für 
6000 Mk. jährlich an C. vermietet; am 1. April 1911 teilt der Vater A. dem B. den Sachverhalt 
mit; B. schenkt aber der Mirteilung keinen Glauben und bleibt hierbei auch stehn, als jener 
ihn am 1. Juni 1911 auf Herausgabe des Hauses verklagt; erst am 1. Oktober 1911 sieht er 
ein, daß der Vater A. im Recht ist, und gibt ihm das Haus heraus. Hier muß B. dem Vater 
A. die von C. halbjährlich gezahlte Miete für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 1911 
mit 2000 Mk. herausgeben. Daß es von B. grobfahrlässig war, der Mitteilung des Vaters 
A. vom 1. April 1911 nicht sofort zu trauen und sich auf die Herausgabe des Hauses erst 
verklagen zu lassen, ändert an dieser Entscheidung nichts; denn eine Fahrlässigkeit B.3, 
1) Vgl. Siber, Passivlegitimation bei der rei vindicatio (07) S. 227. 
2) Gierke, Fahrnisbesitz S. 53; abw. Wendt, Arch. f. ziv. Pr. 87 S. 68. 
6) Podewils, Anspr. d. Gläubigers auf die Vorteile, die der Schuldner aus der ge- 
schuldeten Sache gezogen hat (00).
	        
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