§ 211. Grundstücksvindikation. Schadensersatz. Einreden. 167
1. a) Der Besitzer kann diese Einrede nicht bloß auf ein dingliches Recht,
sondern auch auf ein obligatorisches Recht, insbesondre also auch darauf stützen,
daß er das Grundstück durch notariellen Vertrag gekauft und vom Verkäufer
zwar noch nicht die Auflassung, aber doch die Übergabe des Grundstücks er-
wirkt habe (sog. exceptio rei venditae et traditae).
b) Der Besitzer kann sich aber nur auf ein Recht berufen, das gerade
gegenüber dem Vindikanten wirksam ist. Daß dies der Fall, ist bei dinglichen
Rechten meist selbstverständlich, weil sie ja grundsätzlich gegen jedermann
wirken. Dagegen bedarf bei obligatorischen Rechten die Wirksamkeit gegenüber
dem Vindikanten besondrer Prüfung.
Beispiel. Das zu a genannte Recht des Käufers taugt zur Einrede nur dann, wenn
der Besitzer vom Vindikanten selber oder von dessen Erblasser gekauft hat; hat also der
Besitzer Kauf und Übergabe einem Eigentümer zu verdanken, der das Grundstück späterhin
einem Dritten übereignet hat, so kann jener sich gegen die Vindikation des Dritten auf
sein Käuferrecht nicht berufen, auch wenn der Dritte bei der Übereignung Kauf und Über-
gabe gekannt hat.
Dernburgs macht aber sicher mit Recht eine Ausnahme für den Fall, daß der Dritte
geradezu arglistig gehandelt hat: hier ist der Dritte dem Besitzer schadensersatzpflichtig (826)
und darf ihm deshalb den Besitz nicht entreißen. Dagegen halte ich die ebenda vorgetragene
Lehre Dernburgs F, der Besitzer könne sein Käuferrecht einredeweise auch gegen die Konkurs-
masse des Verkäufers geltend machen, nicht für begründet.
c) Der Besitzer kann sich nur auf ein Recht berufen, das entweder ihm selber oder,
falls er bloßer Unterbesitzer ist, dem Oberbesitzer, nicht aber auf ein Recht, das irgendeinem
beliebigen Dritten zusteht (986 1 Satz 1). — Beispiel. A. überläßt den Besitz eines seinem
Nießbrauch unterworfenen Landhauses unentgeltlich auf fünf Jahre seinem Bruder B.; ein
Unbefugter C. nimmt, da B. sich um das Haus wenig kümmert, unbemerkt den zum Hause
gehörigen Obstgarten in Besitz; nun klagt der Eigentümer des Hauses D. auf Herausgabe
gegen B. und C. Hier kann B. sich zwar auf sein eignes Leihrecht an dem Hause nicht
berusen, da dieses Recht nur obligatorisch gegen A., nicht aber gegen D. wirksam ist; wohl
aber hat er eine Einrede aus dem Nießbrauch des A. Dagegen kann C. dem Nießbrauch
A.83 eine Einrede nicht eninehmen.
4) Die Regel zu e, daß der Unterbesitzer sich einredeweise auf die Rechte des Ober-
besitzers berufen kann, erleidet eine Ausnahme, wenn der Oberbesitzer nicht berechtigt war,
seinen Besitz dem Unterbesitzer zu überlassen. Der Eigentümer ist also, wenn eine derartige
Besitzüberlassung doch stattgefunden hat, zur Vindikation gegen den Unterbesitzer wohlbefugt,
mag auch das Recht des Oberbesitzers auf den Besitz des Grundstücks unbestritten sein; doch
darf der Eigentümer die Herausgabe des Grundstücks bloß an den Oberbesitzer fordern; nur
wenn dieser den unmittelbaren Besitz nicht wieder übernehmen kann oder will, kann der
Eigentümer die Herausgabe auch an sich selber fordern (986 1I Satz 2). Ein Beispiel ist der
zu e genannte Fall, wenn man annimmt, A. sei nicht Nießbraucher, sondern Mieter gewesen.
2. Die Beweislast bezüglich des besseren Rechts trifft den Besitzer, außer
wenn das Recht im Grundbuch eingetragen ist (891). Man drückt dies auch
dahin aus, daß man sagt, für die Freiheit des Eigentums von beschränkenden
Rechten eines Dritten spreche die Vermutung, selbst wenn der Dritte im Besitz sei.
Beispiel. A. ist seit Jahren auf Grund eines mündlichen Mietvertrages im Besitz eines
seinem Onkel B. gehörigen Hauses, bezahlt aber tatsächlich keinen Mietzins, da er in schlechten
5) Dernburg BK. 3 § 927.
6) Dernburg Bl. 3 § 92 am Ende. Gegen ihn Wolff, Recht zum Besitz S. 13.