170 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum.
wenn die Früchte bereits getrennt sind (102), andernfalls unter der Bedingung,
daß das Grundstück, dessen Früchte in Frage stehn, ein landwirtschaftliches
ist und die Früchte nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft noch
vor dem Ende des laufenden Wirtschaftsjahrs zu trennen sein werden (998).
Eine verwandte Vorschrift haben wir oben im Pachtrecht kennen gelernt, nur
daß dort an Stelle des Wirtschaftsjahrs das Pachtjahr gesetzt war (s. oben Bd. 1
S. 565, 3). In den meisten Gegenden Deutschlands beginnt das Wirtschaftsjahr
mit dem 1. Juli.
Beispiel. A. hat am 1. Juli 1910 das Landgut des B. schlechtgläubig in Besitz ge-
nommen und gibt es ihm erst am 1. Oktober 1911 zurück. Hier sind dem A. die Wirtschafts-
kosten zu erstatten, die er I. für die bis zum 1. Oktober 1911 bereits getrennten, II. für die
bis zum 1. Juli 1912 noch zu trennenden Früchte gemacht hat. Zu vergüten ist ihm also
die Arbeit, die er im Juli 1911 an den Wiesen vorgenommen hat; denn sie dient der Ge-
winnung von Grummet und Henu, die noch bis zum 1. Juli 1912 zu schneiden sind. Nicht
zu vergüren sind die Arbeit und die Auslagen für das Pflügen, Düngen und Besäen der
Roggen= und Weizenäcker von Juli bis Sepiember 1911;: denn sie dienen der Gewinnung
von Getreide, das erst nach dem 1. Juli 1912 zu schneiden ist.
In den Regeln zue stecken manche Unklarheiten. Betreffen sie auch Aufwendungen,
die nicht auf die Gewinnung der Früchte einer einzelnen Ernte, sondern auf die dauernde
Erhöhung der Fruchtbarkeit des Grundstücks gemacht sind, z. B. die Kosten einer Dränierung?
Sind die Aufwendungen für die verschiedenen auf dem Grundstück gezogenen Früchte getrennt
zu behandeln, so daß z. B. die für ein Kleeseld gemachten Aufwendungen nur so weit zu er-
staiten sind, als sie nicht den Wert des gerade auf diesem Felde gewonnenen Klees über-
steigen, oder wird der gesamte Fruchtertrag des Grundstücks zusammengerechnet? Kommen
nur Aufwendungen in Betracht, die im laufenden Wirtschaftsjahr gemacht sind? Welcher
Teil der allgemeinen Wirtschaftsunkosten, z. B. des Inspektorgehalts, entfällt auf die Kosten
der Fruchtgewinnung? usw.
2. Der Besitzer kann Ersatz nicht bloß für die Aufwendungen fordern,
die er selber, sondern auch für solche, die sein Besitzvorgänger gemacht hat,
sofern er dessen Rechtsnachfolger geworden ist und der Besitzvorgänger auch
seinerseits den Ersatz der Aufwendungen hätte fordern können (999 7).
Dagegen sind ihm die Aufwendungen andrer Personen, z. B. dem Unterbesitzer die
des Oberbesitzers, nicht zu erstatten.
3. Gleichgültig ist es, ob die Aufwendungen zu der Zeit gemacht sind,
als schon der jetzige Vindikant Eigentümer war, oder ob sie einer früheren
Zeit angehören (999 II). Auch darauf kommt nichts an, ob der jetzige Eigen-
tümer beim Erwerbe des Grundstücks die Verwendungen gekannt hat. Die
Erstattungspflicht ruht also, einer Reallast ähnlich, auf dem Grundstück, ohne
daß das Grundbuch etwas von ihr erzählt."
4. Der Besitzer hat wegen seines Ersatzanspruchs ein Zurückbehaltungs-
recht an dem Grundstück; nur dann, wenn er den Besitz des Grundstücks
durch vorsätzliches Delikt erlangt hat, ist ihm dies Recht versagt (1000).
5. Einen selbständigen Erstattungsanspruch, der den Grundstückseigentümer
persönlich verpflichtet und dessen Erfüllung nicht bloß mittelbar durch Zurück-
8) Siehe RG. 71 S. 426; Endemann II, 1 S. 603 20.