Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 211. Grundstücksvindikation. Verwendungen. Wegnahmerecht. 171 
behaltung des Grundstücks, sondern durch eine Klage gegen den Eigen- 
tümer erzwungen werden kann, erlangt der Besitzer erstens, wenn der Eigen- 
tümer die Verwendungen genehmigt, zweitens, wenn der Besitzer das Grundstück 
dem Eigentümer unter Vorbehalt seines Ersatzanspruchs anbietet und dieser 
daraufhin das Grundstück annimmt, drittens, wenn der Eigentümer das Grund- 
stück in andrer Art wiedererlangt (1001 Satz 1, 3). Doch kann in dem dritten 
Fall der Eigentümer seine persönliche Ersatzpflicht wieder abschütteln, indem 
er das Grundstück demjenigen, von dem er es bekam, zurückgibt (1001 Satz 2). 
Auch erlischt in diesem Fall seine Haftung von selbst, wenn er das Grundstück von 
dem ersatzberechtigten Besitzer zurückempfangen hat und dieser nicht innerhalb der nächsten 
sechs Monate seine Ansprüche gerichtlich geltend macht (1002, 1001 Satz 3). 
Die Kehrseite der vorstehenden Regeln ist, daß der Besitzer wegen des Ersatzes seiner 
Verwendungen sehr lange im ungewissen bleiben wird: denn er kann ja den Eigentümer, 
von besondern Umständen abgesehn, weder zur Genehmigung der Verwendungen noch zur 
Rücknahme des Grundstücks nötigen; und doch ist, solange nicht das eine oder andre erfolgt, 
der Eigentümer nach den Regeln zu 5 persönlich nicht ersatzpflichtig. Um dem Besitzer aus 
dieser Ungewißheit herauszuhelfen, bestimmt nun das Gesetz folgendes (1003): der Besitzer 
kann den Eigentümer unter Angabe des als Ersatz verlangten Betrages auffordern, sich 
binnen einer von ihm bestimmten angemessenen Frist darüber zu erklären, ob er die Ver- 
wendungen genehmige. Nun sind drei Möglichkeiten: I. Der Eigentümer bestreitet den An- 
spruch innerhalb der Frist; dann kann der Besitzer den Anspruch rechtskräftig feststellen 
lassen, darauf dem Eigentümer eine nochmalige Frist zur Erklärung setzen und, wenn auch 
diese Frist verstrichen ist, sich durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück bezahlt machen; 
als Grundlage für die Zwangsvollstreckung braucht er freilich einen vollstreckkaren Titel und 
muß, um diesen zu erlangen, gegen den Eigentümer noch einen zweiten Prozeß anstrengen!! 
So wird ihm also zwar nicht der Eigentümer persönlich, aber doch das Grundstück haftbar. 
II. Der Eigentümer gibt binnen der Frist keine Erklärung ab; dann kommt der Besitzer mit 
einem einzigen Prozeß gegen den Eigentümer, nämlich dem zweiten der zu 1 genannten, 
durch. III. Der Eigentümer genehmigt binnen der Frist; dann ist er persönlich haftbar 
geworden, und es hat dabei sein Bewenden. 
X. 1. Hat der Besitzer mit dem Grundstück eine Sache als wesentlichen 
Bestandteil verbunden, so kann er sie abtrennen (j#us tollendi) und sich an- 
eignen, mag er seinen Besitz in gutem oder in schlechtem Glauben erworben 
haben, muß dann aber auf seine Kosten das Grundstück in den vorigen Stand 
setzen (997 1, 258 Satz 1). Dies Recht ist namentlich wichtig, wenn es sich 
um Anlagen handelt, deren Herstellungskosten dem Besitzer nicht erstattet zu 
werden brauchen, also namentlich um Anlagen, die nicht „nötig“ waren. 
Beispiele. I. A. hat 1905 den Garten des B. ohne Recht, aber gutgläubig in Besitz 
genommen; als er 1910 seinen Rechtsmangel erfuhr, hat er den Garten dem B. sofort zu- 
rückgegeben; 1906 hat er den dürftigen Pflanzenbestand des Gartens entfernt und durch 
neue wertvolle Anpflanzungen ersetzt. Hier kann A., wie wir wissen, von B. für diese Auf- 
wendungen insoweit Vergütung fordern, als dadurch der Wert des Gartens noch 1910 er- 
höht ist (996). Aber er kann auch vor der Herausgabe des Gartens die von ihm ange- 
pflanzten Stauden, Sträucher und Bäume aus dem Boden lösen und mitnehmen. Ent- 
schließt A. sich hierzu, so braucht er nicht etwa für den älteren 1906 von ihm entsernten 
Pclanzenbestand Ersatz zu leisten, weder in Natur noch in Geld; denn es handelt sich hier- 
bei einfach um eine Verschlechterung des Gartens, und für diese ist A. um seiner Gut- 
gläubigkeit willen nicht haftbar; besonders deutlich wird das, wenn man annimmt, A. habe 
die älleren Pflanzen schon 1905 entsernt, um den Garten in Ackerland zu verwandeln, und
	        
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