Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

174 Buch III. Abschnitt 3. Das Eigentum. 
ist; später taucht sie bei Z. auf; von ihm will A. sie vindizieren. 1. Erster Fall: C. hat 
die Sache veruntreut, indem er sie an den schlechtgläubigen D. veräußerte; von diesem ist 
sie durch die Hände verschiedener Zwischenbesitzer an Z. gelangt. Hier spricht die Vermutung 
für das einstmalige Eigentum des A. als des einstmaligen Oberbesitzers höchster Stufe. Diese 
Vermutung allein aber führt den A. nicht zum Siege. Denn ihr zur Seite steht die Ver- 
mutung für das gegenwärtige Eigentum des Z. als des gegenwärtigen Besitzers. Und daß 
ein Vindikant, der weiter nichts als vergangenes Eigentum für sich hat, wider den gegen- 
wärtigen Besitzer, der gegenwärtiges Eigentum für sich hat, nichts ausrichten kann, liegt auf 
der Hand. Somit muß A. die Vermutung, die zugunsten des Z. spricht, brechen, indem er 
beweist, daß dieser nicht Eigentümer sei. Aber auch wenn ihm dieser Beweis gelingt — er 
stellt z. B. fest, daß Z. die Sache dem letzten Zwischenbesitzer Y. gestohlen hat —, hat er 
die ihm obliegende Beweislast noch nicht erledigt; denn nunmehr streitet die Vermutung 
zugunsten des Ysie zeugt dafür, daß zuletzt 90. Eigentümer der Sache gewesen, A. also sein 
Eigentum an ihn oder an einen seiner Vormänner verloren hat. Auch diese Vermutung muß 
also A. widerlegen. Kurzum: A. muß die Sache auf dem ganzen Wege, den sie von ihm 
bis zu Z. durchlaufen hat, verfolgen und für jede neue Besitzstation, die sie dabei berührt 
hat, den Beweis führen, daß sein Eigentum auf ihr haften geblieben ist. Siehe aber unten zu 
Fall 4. 2. Zweiter Fall: die Sache ist bei C. gestohlen. Hier spricht die Vermutung für das 
einstige Eigentum des A., ohne daß ihr, gemäß der Regel oben zu c, eine Gegenvermutung 
zugunsten des Z. oder der Zwischenbesitzer zur Seite steht. Damit wird die Vermutung 
einstigen zur Vermutung gegenwärtigen Eigentums gesteigert kraft der allgemeinen Rechts- 
regel, die das BGB. zwar nicht ausspricht, aber anscheinend voraussetzt: von einem Recht, 
das früher bestanden hat, wird vermutet, daß es noch jetzt fortbesteht. A. braucht sich also 
um die Art, in der Z. oder dessen Vormänner ihren Besitz erworben haben, nicht zu kümmern. 
Die Feststellung genügt, daß die Sache dem A. abhanden gekommen und bei Z. aufgetaucht ist; 
auf welchem Wege sie von A. bis zu Z. gelangt ist, kann unaufgeklärt bleiben. Doch kann 
Z. die Vermutung selbstverständlich durch Gegenbeweis brechen: er beweist z. B., daß ein 
Zwischenbesitzer R. die Sache auf einer Versteigerung erstanden hat (935 II). Auch kann er 
die Vermutung dadurch entkräften, daß er beweist, die Sache sei schon vor der Besitzzeit des 
A. in seinem oder seiner Rechtsvorgänger Besitz gewesen und ihm damals abhanden gekommen; 
denn ist dies der Fall, so kann sich ja A. ihm gegenüber auf die zu seinen gunsten sprechende 
Vermutung nicht berufen. 3. Dritter Fall: es kann nicht ausfgeklärt werden, wie C. seinen 
Besitz eingebüßt hat. Hier wird die Vindikation dem A. ganz versagt, weil in diesem Fall 
die Vermutung zugunsten des Z. oder der Zwischenbesitzer spricht und wegen der Unklarheit 
der Verhältnisse von A. unmöglich für alle Zwischenbesitzer widerlegt werden kann. 4. Vierter 
Fall: C. hat die Sache an den D. veräußert, D. hat sie dem E. geliehen, bei E. ist sie ge- 
stohlen und durch mehrere Zwischenbesitzer an Z. gelangt. Hier gelien die Regeln, die für 
den ersten und zweiten Fall maßgebend sind, nebeneinander: jene gelten für die Wegstrecke 
A. bis E.; diese gelten für die Wegstrecke E. bis Z. Es genügt also, wenn A. beweist, daß 
die Sache ihm noch in E.s Händen gehört hat (insbesondre also, daß D. bei dem Erwerbe 
schlechtgläubig war) und daß die Sache dann dem E. gestohlen ist; daß A.s Eigentum etwa nach 
der Besitzzeit E.s erloschen sei, mag Z. beweisen. II. Eine Sache sei sechsmal hintereinander 
veräußert; die drei ersten Male sei die Veräußerung durch Übergabe vollzogen; dann sei die 
Sache gestohlen; die drei letzten Veräußerungen seien dadurch ausgeführt, daß der jeweilige 
letzte Erwerber seinen Herausgabeanspruch gegen den Dieb dem Nachmann abtrat; nun 
vindiziert der letzte Nachmann die Sache von dem Diebe. Hier hat der Vindikant, um sein 
Eigentum zu beweisen, die drei letzten, nicht aber auch die drei ersten Veräußerungen zu 
beweisen. Ersterer Beweis ist nötig, weil weder er selbst noch die beiden letzten Vormänner 
im Besitz der Sache waren, also keine Vermutung für sie spricht. Letzterer Beweis ist un- 
nötig; denn hat der Vindikant die Sache bis zu seinem dritten Vormann verfolgt, so ist er 
bei einem Ruhepunkt angelangt: war dieser Vormann doch im Besitz und spricht zu seinen 
Gunsten die Vermutung. 
Über den Begriff der abhanden gekommenen Sachen s. oben S. 80 b, 83b, 95 a, 102c. 
2. à) Ist eine Sache bloß durch Abtretung des Herausgabeanspruchs über-
	        
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