Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

194 Buch III. Abschnitt 4. Das Erbbaurecht und die Dienstbarkeiten. 
der gemessenen, muß der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des dienen- 
den Grundstücks „tunlichst“ schonen (1020 Satz 1; civiliter uti). 
Lediglich ein Ausfluß dieser Regel ist folgende Bestimmung: wenn sich die jeweilige 
Ausübung einer Grunddienstbarkeit, z. B. eines Traufrechts, auf einen Teil des dienenden 
Grundstücks beschränkt, kann der Eigentümer des letzteren die Verlegung der Ausübung 
nach einer andern Stelle des nämlichen Grundstücks auf eigne Kosten fordern, wenn erstlich 
die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist und zweitens das 
Interesse des Berechtigten nicht dabei leidet, die neue Stelle vielmehr für die Zwecke der 
Dienstbarkeit ebenso geeignet ist wie die alte (1023). Verlegung auf ein andres Grundstück 
kann nicht gefordert werden (s. aber pr. LR. I, 22 § 81, EG. 115). 
5. Nicht selten bestehn an einem Grundstück mehrere Grunddienstbarkeiten 
oder sonstige Nutzungsrechte, die nebeneinander gar nicht oder nur unvoll- 
ständig ausgeübt werden können. Hier muß das Recht schlechteren Ranges 
selbstverständlich hinter dem Recht besseren Ranges zurücktreten, mag es auch 
dabei völlig entwertet und inhaltlos werden. Haben die Rechte gleichen Rang, 
so müssen sich die mehreren Rechtsinhaber miteinander vertragen; im Streitfall 
kann jeder von ihnen fordern, daß die Ausübung der Rechte durch Richter- 
spruch klar und bestimmt geregelt werde (1024). 
Beispiele. I. Siehe oben S. 31 III. II. In einem Dorf sind mehrere Bauern zur 
Benutzung des herrschaftlichen Backofens befugt. Hier kann durch Richterspruch ein bestimmter 
Turnus unter den Bauern eingeführt werden. 
6. a) Bei einer Beeinträchtigung seiner Grunddienstbarkeit hat der Be- 
rechtigte denselben Anspruch wie ein Eigentümer im Fall der Störung seines 
Eigentums (actio confessoria). Nur eine Besonderheit gilt: der Anspruch 
des Berechtigten verjährt nämlich, auch wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch 
eingetragen steht, in dreißig Jahren, sofern er auf die Beseitigung einer An- 
lage gerichtet ist, die im Widerspruch zu der Dienstbarkeit auf dem dienenden 
Grundstück tatsächlich besteht (1028 I Satz 1). 
Beispiel. Die Ansprüche eines Wegeberechtigten, dessen Recht im Grundbuch eingetragen 
ist, verjähren dadurch noch nicht, daß das Recht dreißig Jahre lang nicht ausgeübt wird. 
Wohl aber verjähren sie, wenn auf dem dienenden Grundstück ein Zaun angebracht ist, der 
den Zutritt gegen das herrschende Grundstück abschließt. 
b) Über den Besitzschutz der Grunddienstbarkeiten siehe den nächsten 
Paragraphen. 
7. a) Zu persönlichen Dienstleistungen, insbesondre zur Unterhaltung des 
dienenden Grundstücks, ist weder der Eigentümer des herrschenden noch der des 
dienenden Grundstücks verpflichtet, es sei denn, daß Vertrag oder Landesgesetz 
(EG. 115) ein andres bestimmt. Doch gelten vorbehaltlich einer abweichenden 
Vereinbarung zwei Ausnahmen. 
a) Die erste Ausnahme belastet den Eigentümer des herrschenden Grund- 
stücks: hält dieser zwecks Ausübung der Dienstbarkeit auf dem dienenden 
Grundstück eine „Anlage", so muß er zwar nicht das ganze dienende Grund- 
stück, aber doch, soweit es das Interesse des Eigentümers dieses Grundstücks 
fordert, die Anlage unterhalten (1020 Satz 2).
	        
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