Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 216. Die Grunddienstbarkeiten. 195 
H Die zweite Ausnahme belastet den Eigentümer des dienenden Grund- 
stücks: besteht die Dienstbarkert in dem Recht, auf einer baulichen Anlage 
dieses Grundstücks eine andre bauliche Anlage zu halten, so liegt die Unter- 
haltung der unteren Anlage, soweit es das Interesse des Eigentümers des 
herrschenden Grundstücks fordert, nicht ihm, sondern dem Eigentümer des 
dienenden Grundstücks ob (1022 Satz 1). 
Beispiel. A, der Eigentümer von m, hat in seinem Garten das Erdreich aufgeschüttet 
und stützt es durch eine Mauer, die er auf dem dem B. gehörigen Nachbargrundstück n auf- 
geführt hat; die Treppe, die vom Garten in das noch höher liegende Haus A.s führt, ruht 
seitlich auf einer zweiten, gleichfalls auf n stehenden, von B. aufgeführten Mauer; das 
Regenwasser von m wird in einem Kanal gesammelt und in einen von jeher auf n befind- 
lichen, auch von B. benutzten Graben geführt; zu alledem ist A. kraft einer Grunddienstbarkeit, 
die zu Gunsten von m und zu Lasten von u#besteht, wohlbefugt. Hier ist unterhaltungspflichig: 
wegen der ersten Mauer (Futtermauer) A., wegen der zweiten Mauer (Tragmauer) B., 
wegen des Grabens (da man nicht sagen kann, daß A. diesen Graben „häll") niemand. 
b) Soweit nach den Regeln zu a der Eigentümer des herrschenden oder 
des dienenden Grundstücks zu einer Dienstleistung verpflichtet ist, kommen die 
Vorschriften über die Reallasten entsprechend zur Anwendung (1021 II, 
1022 Satz 2).7 
8. Wird das dienende Grundstück geteilt, so gilt die Dienstbarkeit, falls 
ihre Ausübung auf einen der neugebildeten Teile beschränkt war, nur für 
diesen Teil fort, kann also bezüglich der übrigen Teile im Grundbuch gelöscht 
werden; durfte sie auf dem ganzen Grundstück ausgeübt werden, so bleibt sie 
auf allen neugebildeten Teilen haften (1026). Wird das herrschende Grundstück 
geteilt, so gilt die Dienstbarkeit, falls sie bloß einem der neugebildeten Teile 
zum Vorteil gereicht, nur für diesen fort, kann also bezüglich der andern Teile 
im Grundbuch gelöscht werden; gereicht sie dem ganzen Grundstück zum Vorteil, 
so dauert sie für jeden Teil fort, darf aber im Zweifel nur derart geltend 
gemacht werden, daß sie für das dienende Grundstück nicht beschwerlicher 
wird (1025). 
Beispiele. Ein Rittergut wird in 50 Parzellen geteilt. I. Hier lastet ein auf dem 
Rittergut zugunsten eines Nachbarguts beslelltes Wegerecht mit bestimmter Wegerichtung 
auf allen Parzellen, die der Weg trifft, läßt dagegen die von dem Wege nicht berührten 
Parzellen frei. II. Umgekehrt: ein Wegerecht, das zugunsten des Ritterguts an einem 
Nachbargut begründet war, geht auf alle 50 Parzellen über; doch dürfen die 50 Parzellen= 
besiver zusammen nicht mehr gehn und fahren, als vorher der eine Rittergutsbesitzer gehn 
oder fahren durfte; dagegen bleibt das für das „Schloß“ bestellte Traufrecht nur für die 
Parzelle bestehn, auf der sich das Schloß befindet. 
IV. Der Verlust einer Grunddienstbarkeit geschieht in derselben Art wie 
der des Erbbaurechts bis auf folgende Unterschiede. 
1. Eine Versitzung kann bei Grunddienstbarkeiten auch dann eintreten, 
wenn ihre Löschung im Grundbuch nicht erfolgt ist. Und zwar geschieht die 
Versitzung dadurch, daß sich auf dem dienenden Grundstück eine Anlage be- 
8) Siehe RG. 60 S. 88. 
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