§ 216a. Besitzschutz angeblicher Grunddienstbarkeiten. 197
Pachtung bemächtigt hat, den Weg über 2 in Anspruch und übt am 1. Juni 1911 das Recht
auch tatsächlich aus, obschon sowohl A. wie B. Widerspruch einlegen. Hier ist der Dienst-
barkeitsbesitz des B. und C. an x 1901 untergegangen, ohne daß bis 1911 an seine Stelle
ein Dienstbarkeitsbesitz an 2 getreten wäre; denn die Dienstbarkeit an zx war seit 1901 nicht
mehr eingetragen, die an z wurde bis 1911 nicht ausgeübt. Dagegen trat am 1. Juni 1911
eine Anderung ein: durch die einmalige Ausübung des eingetragenen Wegerechts an 2 ist
sowohl D. wie anscheinend auch B. Besitzer dieser Dienstbarkeit geworden, obschon eine
Dienstbarkeit an 2 gar nicht zu Recht bestand und, wenn sie bestanden hätte, nicht von dem
rechtlosen D. hätte benutzt werden dürfen.
Wie verzwickt der Begriff des Grunddienstbarkeitsbesitzes ist, ergibt sich daraus, daß
seine drei Voraussetzungen möglicherweise in drei verschiedenen Personen verwirklicht werden:
die erste ist als Eigentümer des herrschenden Grundstücks eingetragen, die zweite ist im Be-
sitz dieses Grundstücks, die dritte übt die Dienstbarkeit aus. Doch ist wohl anzunehmen, daß
der Ausüber der Diensibarkeit, wenn er nicht mit dem Grundstücksbesitzer identisch ist,
wenigstens mit dessen Ermächtigung gehandelt haben muß.
2. Der Grunddienstbarkeitsbesitz steht zu der Grunddienstbarkeit in einem
ähnlichen Verhältnis wie der Eigenbesitz und der unter der Oberherrschaft des
Eigenbesitzes stehende Fremdbesitz zum Eigentum. Beide werden also meist
in derselben Person zusammenfallen, können aber auch auseinandergehn.
Beispiel. In dem zweiten zu 1 genannten Fall steht 1911 die Dienstbarkeit an x dem
B. zu; er darbt aber des Dienstbarkeitsbesitzes. Dagegen ist D. im Besitz der Dienstbarkeit
an 2; er darbt aber der Dienstbarkeit.
II. Der Dienstbarkeitsbesitz wird erworben, wenn seine zu 1 genannten
Voraussetzungen erfüllt sind.
III. Die rechtliche Bedeutung des Dienstbarkeitsbesitzes ist, daß der Be-
sitzer gegen jede eigenmächtige Störung in der Ausübung der Dienstbarkeit
ebenso geschützt wird wie ein Sachbesitzer (s. 1029). Es steht ihm also je nach Lage
des Falls der kurzfristige Anspruch wegen Besitzstörung zu. Auch ist er ermäch-
tigt, eine Störung seines Dienstbarkeitsbesitzes mit Gewalt abzuwehren.
Beispiel. Man nehme an, daß in dem oben zu 1, 1 genannten zweiten Fall A., der
Eigentümer und Besitzer des (angeblich) dienenden Grundstücks 2, gleich nach der ersten eigen-
mächtigen Ausübung des angeblichen Wegerechts an der Stelle, wo der streitige Fahrweg
von y nach z übertritt, eine seste Mauer ohne Torweg errichtet hat. Hiergegen kann D.
nicht klagen; denn er hat ja seinen Dienstbarkeitsbesitz durch verbotene Eigenmacht gegen A.
erlangt; sein Besitz ist also gegenüber A. fehlerhaft (S. 76, 4). Wohl aber kann D. gegen A.
esofort“ zur Selbsthülfe greisen, also die von A. eigenmächtig errichteie Mauer sofort eigen-
mächtig niederreißen; denn der Gesetzgeber nimmt ja bei der Selbsthülse des Besitzers darauf, ob
dessen Besitz fehlerhaft ist, keine Rücksicht (s. oben S. 88, 4).
IV. Der Grunddienstbarkeitsbesitz geht verloren, sobald eine seiner Vor-
aussetzungen fortfällt, also namentlich durch einjährige Nichtausübung der
Dienstbarkeit.
Doch können die Rechtswirkungen des Dienstbarkeitsbesitzes, also vor allem ein einmal
erworbener Anspruch wegen Besitzstörung, den Dienstbarkeitsbesitz selbst überdauern; kommt
doch auch der Anspruch wegen Entziehung des Sachbesitzes erst zur Entstehung, wenn der
Sachbesig selbst verloren ist.