Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

198 Buch III. Abschnitt 4. Das Erbbaurecht und die Dienstbarkeiten. 
III. Die persönlichen Dienstbarkeiten. 
1. Der Niehbrauch. 1 
a) Der eigentliche Nießbrauch an Sachen. 
8 217. 
I. 1. Der eigentliche Nießbrauch an Sachen (ususfructus) ist 
das auf einem Grundstück oder einer nicht verbrauchbaren Fahrnissache lastende 
dingliche Recht, kraft dessen der Berechtigte die Nutzungen der belasteten Sache 
ziehn darf, sei es vollständig, sei es mit gewissen besonders vorgesehenen Aus- 
nahmen (1030). 
Beispiel. A. hat in seinem Testament bestimmt, daß die Nutzungen seiner Wälder und 
seiner Bergwerke dem B. zufallen sollen; nur die Maiglöckchen, die Erdbeeren und die Pilze 
in den Wäldern sollen der Nachbargemeinde zwecks Einsammlung durch die Dorfkinder vor- 
behalten sein wie bisher. Hier gewinnt B. durch das Testament selbst noch keinen Nießbrauch, 
weil es ihm kein dingliches Recht gewährt. Dagegen erlangt B. den unbeschränkten Nieß- 
brauch an den Bergwerken und den beschränkten Nießbrauch an den Wäldern, sobald C., der 
Erbe des A., das Recht des B. vertragsmäßig feststellt und im Grundbuch eintragen läßt. 
Nimmt C. die vertragsmäßige Feststellung und Eintragung auch wegen der Maiglöckchen, 
Erdbeeren und Pilze zugunsten der Nachbargemeinde vor, so gewinnt diese keinen Nießbrauch, 
sondern nur eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (s. unten § 219). 
2. Der Nießbrauch kommt verhältnismäßig selten vor. Dennoch sind die 
Regeln, die das bürgerliche Gesetzbuch ihm widmet, von größter praktischer 
Bedeutung. Denn sie sind zum großen Teil auf andre Rechte analog an- 
wendbar, die im Leben eine sehr bedeutende Rolle spielen, insbesondre auf das 
Recht des Ehemanns am eingebrachten Gut der Ehefrau, auf das Recht der 
Eltern am Hausgut der Kinder, auf das Recht des Vorerben am Nachlaß 
(1378, 1383, 1384, 1423, 1652, 2128 II usw.). 
II. 1. a) Die Begründung des Nießbrauchs geschieht der Regel nach durch 
Abschluß eines dinglichen Vertrages zwischen dem Besteller und dem Erwerber 
des Nießbrauchs oder durch Ersitzung. Daß er, wie das Erbbaurecht, auch durch 
das Spiel der Fiktion der Unfehlbarkeit des Grundbuchs begründet werden 
könnte, ist ausgeschlossen, da er nicht von dem angeblichen Ersterwerber auf 
einen andern übertragen werden kann. 
a) Ist die Nießbrauchsache ein Grundstück, so kommen auf den ding- 
lichen Vertragsschluß und die Ersitzung dieselben Vorschriften zur Anwendung 
wie beim Erbbaurecht (873, 900), jedoch mit der Maßgabe, daß der Vertrag 
nicht der strengen Formen einer Auflassung, sondern nur der Formen eines 
gewöhnlichen dinglichen Vertrages über Buchrechte bedarf (s. oben S. 16). 
6) Ist die Nießbrauchsache eine Fahrnissache, so kommen auf den ding- 
1) Erdmann, Arch. f. ziv. Pr. 94 S. 284.
	        
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