200 Buch III. Abschnitt 4. Das Erbbaurecht und die Dienstbarkeiten.
der Zeit an zulässig, zu der der Nießbrauch ohne den Verzicht erlöschen würde,
also regelmäßig erst nach dem Tode des Nießbrauchers (1056).
III. Der Inhalt des Nießbrauchs ist ein sehr umfassender.
1. Der Nießbraucher ist zum unmittelbaren Besitz der Sache berechtigt
(1036 1), gerade ebenso wie bei einer nießbrauchfreien Sache der Eigentümer.
2. Der Nießbraucher ist zur Nutzung der Sache berechtigt, aber nicht
ebenso wie bei einer nießbrauchfreien Sache der Eigentümer, sondern weit be-
schränkter (1036 11).
a) Er muß nämlich erstens die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der
Sache aufrecht erhalten, während der Eigentümer sie beliebig ändern kann.
b) Er muß zweitens bei seiner Nutzung die Regeln ordnungsmäßiger
Wirtschaft befolgen, während der Eigentümer, wenn es ihm beliebt, auch un-
ordentlich wirtschaften darf.
Beispiel. Wer ein großes Gut im Nießbrauch hat, darf einen Acker in eine Wiese
verwandeln oder ein kleines Wäldchen abholzen, vorausgesetzt, daß dies den Grundsätzen
ordentlicher Wirtschaft entspricht; denn hierin liegt eine Anderung der wirtschaftlichen Be-
stimmung des Nießbrauchgrundstücks, als Ganzes aufgefaßt, nicht. Dagegen sehlt ihm
diese Befugnis, wenn er den Nießbrauch ausschließlich an jenem Acker oder Wäldchen hat;
er muß hier vielmehr die bisherige, vielleicht sehr un zweckmäßige wirtschaftliche Bestimmung
des Grundstücks aufrecht halten, es sei denn, daß der Grundstückseigentümer ihm ein andres
ausdrücklich erlaubt oder die Erlaubnis aus bloßer Schikane verweigert.
3. Auch zu Anderungen der Sache ist der Nießbraucher befugt und zwar
nicht bloß, soweit die Nutzung der Sache sie unvermeidlich mit sich bringt,
sondern auch darüber hinaus. Denn der Nießbraucher ist zwar nicht der
Eigentümer der Sache, aber doch ihr Wirt und muß als solcher eine gewisse
Bewegungsfreiheit haben. Deshalb verbietet ihm das Gesetz nur eine „wesent-
liche“ Anderung sowie eine „Umgestaltung“ der Sache (1037 0.
Beispiel. Der Nießbraucher eines großen Guts darf die Baulichkeiten mit ziemlicher
Freiheit ändern, während der Nießbraucher einer kleinen Häuslerstelle Bauveränderungen
nur im Notfall vornehmen darf.
4. Innerhalb der Schranken, die ihm die Regeln zu 2 und 3 setzen, darf
der Nießbraucher die Sache sogar in einer Weise nutzen, die allmählich zer-
störend wirkt (1037 II). Ein Schutz für den Eigentümer liegt hier nur in
der Regel, daß der Nießbraucher als ordentlicher Wirt verfahren muß, also.
die Ausbeute nicht übermäßig beschleunigen darf.
Beispiele. I. Der Nießbraucher eines Bergwerks darf dieses bis zur vollständigen Er-
schöpfung ausbeuten, so daß nach dem Erlöschen des Nießbrauchs für den Eigentümer des
Bergwerks nur die leeren Schachte und Stollen übrig bleiben. II. Der Nießbraucher eines
Landguts darf, wenn er auf dem Gut Kies findet, eine Kiesgrube einrichten und sie bis auf
den letzien Rest ausbeuten.
5. Um Streitigkeiten über die Wirtschaft des Nießbrauchers tunlichst ab-
zuschneiden, ist folgendes bestimmt.
a) Bei einem Waldnießbrauch kann jede Partei, der Nießbraucher wie
der Eigentümer, verlangen, daß für die Waldwirtschaft ein Betriebsplan auf-