210 Buch III. Abschnitt 4. Das Erbbaurecht und die Dienstbarkeiten.
Nießbraucher wie der Gläubiger für sich allein wegen des Kapitals mahnen,
klagen, die Zwangsvollstreckung betreiben: das Verlangen muß aber auf Zah-
lung des Kapitals an Nießbraucher und Gläubiger zusammen oder auf Hinter-
legung des Kapitals für beide gerichtet werden (1076, 1077 D.
6) Eine Kündigung der Forderung von der Gläubigerseite muß von
Gläubiger und Nießbraucher gemeinsam erklärt, eine vom Schuldner ausgehende
Kündigung muß an die gemeinschaftliche Adresse von Gläubiger und Nieß-
braucher gerichtet werden (1077 II).
)) Zu andern Verfügungen über die Forderung außer der Kündigung
bedarf der Gläubiger der Zustimmung des Nießbrauchers, wenn dieser durch
die Verfügung beeinträchtigt wird, also namentlich zum Verzicht auf die Forde-
rung, zur Stundung, zur Herabsetzung des Zinsfußes (1071). Dagegen darf
er Verfügungen, die die Interessen des Nießbrauchers nicht schädigen, ins-
besondre die Abtretung der Forderung an einen Dritten, selbständig vor-
nehmen.
0) Die Befugnisse, die nach den Regeln zu 6—y dem Gläubiger und-
dem Nießbraucher in Ansehung der Kapitalforderung dem Schuldner gegenüber
zustehn, sind im Verhältnis des Gläubigers und des Nießbrauchers unter-
einander zugleich Verpflichtungen: jeder von beiden kann verlangen, daß der
andre sein Recht ordnungsmäßig ausübt (s. 1078). Insbesondre hängt die-
Mitwirkung bei der Kündigung der Forderung keineswegs von der Willkür
des Gläubigers und des Nießbrauchers ab; vielmehr kann, wenn die Sicher-
heit der Forderung gefährdet und deshalb die Kündigung wirtschaftlich geboten
ist, der Gläubiger vom Nießbraucher und der Nießbraucher vom Gläubiger die
Zustimmung zur Kündigung im Prozeßwege erzwingen (1078 Satz 2).
g) Ist das Kapital vom Schuldner ordnungsmäßig bezahlt oder hinter-
legt, so tritt es in das Eigentum des Gläubigers, während dem Nießbraucher
der Nießbrauch daran zufällt; selbstverständlich ist es von neuem zinsbar anzu-
legen und dem Nießbraucher wiederum der Nießbrauch daran zu bestellen; die
Anlegung geschieht durch Nießbraucher und Gläubiger gemeinsam; sie muß,
wenn beide nicht übereinstimmend ein andres beschließen, „mündelsicher“ er-
folgen; unter verschiedenen mündelsichern Anlagen hat der Nießbraucher die
Auswahl (1079; s. oben § 48).
Beispiel. A. hat seinen Sohn B. zu seinem Erben eingesetzt, seiner Tochter C. aber
den Nießbrauch einer ihm wider D. zustehenden hypothekarisch gesicherten, mit 6 % verzins-
lichen Forderung von 100000 Mk. vermacht. Hier sind, wenn D. die Forderung kündigt,
die 100 000 Mk. mündelsicher anzulegen, auch wenn die bisherige Anlage bei D. nicht im
geringsten mündelsicher war; der Einwand, daß B. keine sicherere Anlage fordern könne als
die von dem Erblasser selbst beliebte, steht der C. nicht zu. Die Folge ist, daß die C. bei
der neuen Anlage kaum 4% erhalten wird, also ein Drittel ihrer Einkünfte verliert.
5) Beginnt der Nießbrauch mitten in einer Zinsperiode, so kann der
Nießbraucher von dem Schuldner den Zins für die ganze Periode fordern,
darf aber nur soviel davon behalten, als der Dauer des Nießbrauchs innerhalb-