50 Allgemeine Gerichtsordnung — Allgemeine Gütergemeinschaft.
zesse. Da die Klagen über Rechtsver-
zögerung fortdauerten, befahl Friedrich
der Große durch Verordnung vom 15. Ja-
nuar 1775, eine ganz neue Prozeßordnung
zu entwerfen, die auf dem Grundsatze der
mündlichen Verhandlung beruhen sollte.
Den letzten Anstoß hierzu hatte der be-
kannte Müller Arnoldsche Prozeß (s. d.)
gegeben. Es erschien das Corpus juris
Fridericianum, erstes Buch von der Pro-
zeßordnung, und wurde durch Publika-
tionspatent vom 26. April 1781 als Ge-
setzbuch eingeführt. Dies sollte der An-
fang einer vollständigen, auch das ma-
terielle Recht umfassenden Gesetzge-
bung sein. 1792 wurde es umgearbeitet,
unter dem Titel „Allgemeine Gerichtsord-
nung für die preußischen Staaten‘ her-
ausgegeben und durch Publikationspatent
vom 6. Juli 1793 zur Befolgung vorge-
schrieben. Der 2. und 3. Teil wurden erst
1795 fertig. Die Veröffentlichung der
AGO selbst trägt kein Datum.
Die AGO zerfällt in 3 Teile. Der 1. Teil,
Prozeßordnung, regelt den Zivilprozeß im
weitesten Sinne, einschließlich des Kon-
kurses und der Subhastation, in 52 Titeln,
die zum Teil wieder in Abschnitte zerfal-
len. Der 2. Teil handelt in 6 Titeln von dem
gerichtlichen Verfahren in nicht streitigen
Angelegenheiten, der 3. Teil in 8 Titeln
von den Pflichten der bei der Justiz ange-
setzten Personen — einschließlich der
Justizkommissarien und Notarien. Eine
Einleitung enthält Definitionen, Vor-
schriften über die Pflicht des Richters zur
Ermittelung der Wahrheit von Amts
wegen (Inquisitionsmaxime statt der bis-
herigen Verhandlungsmaxime), Pflicht
der Parteien zum Erscheinen und zur Aus-
sage der Wahrheit, Strafen des Leugnens,
Beistände und Bevollmächtigte, Gang des
Verfahrens und Instanzen. Eine Beilage
enthält ein allgemeines Registratur- und
Kanzelleireglement.
Die AGO wurde für den ganzen Staat
eingeführt, in den später erworbenen Lan-
desteilen alsbald nach der Besitznahme.
Nicht eingeführt ist sie aber im Appella-
tionsgerichtsbezirk Greifswald, im Bezirk
des Justizsenats Ehrenbreitstein und im
Appellationsgerichtsbezirk Köln.
Durch Patent vom 4. Februar 1815 wur-
den die bis dahin bewirkten Abände-
rungen, Ergänzungen und Erläute-
rungen als Anhang zur AGO für die
preußischen Staaten publiziert. Die AGO
wurde auch später durch zahlreiche Ver-
ordnungen in einzelnen Punkten geän-
dert. Ihre Grundlage und Maxime
wurde wesentlich verändert durch die Ver-
ordnungen über den Mandats-, den sum-
marischen und BagatellprozeB vom
1. Juni 1833 nebst Instruktion vom
24. Juli 1833 und über das Verfahren in
Zivilprozessen vom 21. Juli 1846. Dazu
kamen die Verordnung vom 2. Januar
1849 betreffend Aufhebung der Privatge-
richtsbarkeit und des eximierten Ge-
richtsstandes und die Konkursordnung
vom 8. Mai 1855. Durch die Justizgesetze
des Deutschen Reiches, namentlich die Z
und das G, wurde die AGO fast voll-
ständig beseitigt.
A b egg Versuch einer Geschichte der preußischen Zivil-
18148; Koch Lehrbuch des preußischen
gemeinen Privatrechts I 68 6, 9; Koch Preußens Rechts-
verfassung S.3f; Koch Der "preußische Zivilprozeß $ 9;
Förster-Eccius Preuß. Privatrecht I 65 1-3; Dernburg
Preuß. Privatrecht I $8 8-6, 13; Basch AGO; Vierhaus
AGO. Land£.
Allgemeine Gütergemeinschaft.
Die allgemeine Gütergemeinschaft ist
diejenige Form des ehelichen Güterrech-
tes, bei welcher das gesamte Vermögen
beider Ehegatten, sowohl das vor wie das
während der Ehe erworbene, zu einer ge-
meinsamen Masse vereinigt (Gesamtgut)
und grundsätzlich die Haftung des einen
Ehegatten für die Schulden des anderen
begründet wird. Von allen Systemen des
ehelichen Güterrechtes übt dieses auf die
Vermögensverhältnisse der Ehegatten den
größten Einfluß aus, es wird vielfach als
die idealste Form des ehelichen Güter-
rechtes betrachtet in der Erwägung, daß
nach dem sittlichen Wesen der Ehe die
dadurch begründete volle Lebensgemein-
schaft der Ehegatten auch in vermögens-
rechtlicher Beziehung zum Ausdruck kom-
men müsse. Die juristische Konstruktion
einer solchen materiellen Eigentumsge-
meinschaft an den ehelichen Gütern ist in
verschiedener Weise versucht worden:
man hat zugrunde gelegt die Idee des so-
genannten Gesamteigentums, die der So-
zietät oder der juristischen Person, ferner
den Begriff der Rechtsgemeinschaft zu
ideellen Teilen. Ausgeschlossen von der
Gemeinschaft sind durchweg nach den
zahlreichen Partikularrechten, welche bis
zum Inkrafttreten des B in Geltung waren,
Güter, die der freien Verfügung des Ei-
gentümers entzogen sind, ferner solche,
die als Sondergut oder als Einhandsgut
erklärt wurden, sei es durch die Ehegat-
ten selbst, sei es durch Dritte bei der Zu-