358 Buch III. Abschnitt 10. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen.
ganzen vertragsmäßig bedungenen Miet= oder Pachtzeit gegen sich gelten zu
lassen, sondern kann es unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf-
kündigen; die Kündigung ist ausgeschlossen, wenn sie nicht für den ersten
Termin erfolgt, für den sie zulässig ist (RZwGes. 57). 1
b) Die Regeln zu a gelten ohne Rücksicht auf das Alter des Miet= und
Pachtrechts. Der Ersteher muß also das Miet= und Pachtrecht gegen sich
gelten lassen, auch wenn es jünger ist als das Recht des Antragstellers.
Ebenso kann er umgekehrt dem Miet= und Pachtrecht unter Einhaltung der
gesetzlichen Kündigungsfrist ein vorzeitiges Ende machen, auch wenn es älter
ist als das Recht des Antragstellers.
Die letztere Regel ist namentlich bei der Pachtung mißlich. Denn hier sind langjährige
Verträge allgemein in Gebrauch und entsprechen auch einem Bedürfnis, da der Pächter dar-
auf rechnen muß, daß ungünstige Pachtjahre durch günstige ausgeglichen werden, und da
er außerdem nicht selten größere Geldsummen in das Pachtgut stecken muß, die sich erst im
Lauf der Zeit rentieren. Und nun muß er erfahren, daß auf die festgesetzte Pachtzeit kein
Verlaß ist und irgendein beliebiger jüngerer Gläubiger des Verpächters ihn im Wege der
Zwangsversteigerung vorzeitig aus dem Pachtgut vertreiben kann. Nun steht dem Pächter
freilich ein zwiefacher Schutz zu Gebot: er kann durch Befriedigung des Gläubigers die
Zwangsversteigerung abwenden und vom Verpächter Schadensersatz verlangen. Doch ist
sowohl das erste wie das zweite Schutzmittel regelmäßig ohne praktischen Wert.
Zweifelhaft ist, ob die Regeln zu a auch bei Miet= und Pachtverträgen gelten, die nach
Beschlagnahme des Grundstücks abgeschlossen sind. Man wird die Frage wohl bejahn, wenn
der Abschluß innerhalb der Grenzen ordnungsmäßiger Wirtschaft geschehn ist.
Daß der Ersteher in die Vermieter= oder Verpächterpflichten des Schuldners eintritt, ist
eine Last, die zu den von ihm durch sein Meistgebot übernommenen Verpflichtungen kraft
Gesetzes hinzutritt. Demgemäß wird diese Last nicht in das geringste Gebot aufsgenommen
und also auch nicht von dem Meistgebot des Erstehers in Abzug gebracht.
10. Auch manche andre Rechte außer dem Miet= und Pachtrecht bleiben sowohl bei der
Feststellung des geringsten Gebots wie bei der Verteilung des Versteigerungserlöses unberück-
sichtigt, indem sie entweder kraft Gesetzes auf dem Grundstück liegen bleiben oder aber ohne
Abfindung aus dem Versteigerungserlöse ersatzlos untergehn. Hierher gehören:
a) das dingliche Vorkaufsrecht (1098, 512);
b) die nicht eingetragenen Renten aus 912 ff. (RZwGes. 52 II);
I) die öffentlichen Lasten des Grundstücks für die Zeit nach Erteilung des Zuschlages;
d) auf dem Gebiet der vorbehaltenen Materien gewisse landesgesetzlich besonders be-
zeichnete Rechte, z. B. in Preußen die bergrechtlichen Gebrauchs= und Nutzungsrechte, die
im Wege des Zwangsverfahrens erworben werden können (pr. AusfGes. RZwes. 6 I1, pr.
Auss Ges. B#GB. 22);
e) das Recht des Ehemanns an den zum eingebrachten Gut seiner Frau gehörigen
Grundstücken usw.
VII. Verwicklungen erwachsen, wenn der Ersteher das von ihm zu zahlende
Bargebot nicht pünktlich entrichtet.
1. Zunächst wird, wie schon angedeutet, dadurch geholfen, daß jedem
Empfangsberechtigten in Höhe der ihm gebührenden Barzahlung die Forderung
gegen den Ersteher überwiesen und eine Sicherungshypothek an dem versteigerten
Grundstücke bestellt wird; die Sicherungshypothek erhält den Rang des dem
19) R. 71 S. 404.
20) Siehe RG. 63 S. 67, 65 S. 29.