Viertes Buch.
Das Recht der Urkunden.“
Einleitung.
g 254.
I. 1. Das Recht der Urkunden umfaßt sowohl die Regeln, die sich mit
den Urkunden als körperlichen Gegenständen, wie auch die Regeln, die sich mit
dem unkörperlichen Inhalt der Urkunden, mit den aus den Urkunden ersicht-
lichen Rechten und Pflichten, beschäftigen. Eben deshalb läßt es sich keinem
der Abschnitte zuweisen, in die man das System des bürgerlichen Rechts sonst
einzuteilen pflegt; insbesondre paßt es nicht in das Recht der Forderungen,
da es neben schuldrechtlichen namentlich auch sachenrechtliche, und es paßt nicht
in das Sachenrecht, da es neben sachenrechtlichen namentlich auch schuldrecht-
liche Regeln in innigster Verbindung miteinander enthält. Vielmehr ist ihm
im Privatrechtssystem ein besondrer Abschnitt zuzuteilen.
Kein Gegengrund gegen diese Systematik ist, daß eine ganze Reihe urkundenrechtlicher
Regeln aus dem Urkundenabschnitt ausgeschieden und anderswo — im allgemeinen Teil, im
Recht der Forderungen, im Sachenrecht usw. — behandelt werden muß (s. oben Bd. 1 S. 219,
713; Bd. 2 S. 228 usw.). Denn ein jeder wird zugeben, daß ähnliche Ausscheidungen im
größten Umfange auch bei allen andern Abschnitten des Privatrechts unvermeidlich sind. Oder
sollte sich ein Fanatiker finden, der um des „Systems“ willen die Vermächtnisforderungen,
eben weil sie Forderungen sind, nicht im Erb-, sondern im Obligationenrecht behandeln wollte?
2. Unter den Urkunden unterscheiden wir zwei Hauptgruppen.
a) Die erste Hauptgruppe umfaßt die Wertpapiere, d. h. alle Ur-
kunden, die ein Recht dergestalt verbriefen, daß es grundsätzlich nur unter Vor-
legung der Urkunde geltend gemacht werden kann und also gewissermaßen in
der Urkunde verkörpert ist. Die Wertpapiere zerfallen wieder in die drei
Unterarten der Inhaber-, der Order= und der Rektapapiere, je nach-
dem das in dem Papier verbriefte Recht entweder erstens völlig unbestimmt
1) E. Jacobi, Wertpapiere (01); ders., Wertpapiere als Legitimationsmittel (00);
Langen, Kreationstheorie (06); ders., Arch. f. BR. 30 S. 7.