Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 254. Begriff des Wertpapiers. 385 
dem jeweiligen Inhaber des Papiers oder zweitens einer bestimmten Person 
oder ihrer unbestimmten „Order“ oder drittens nur einer bestimmten Person, 
nicht aber auch ihrer „Order“ zugeschrieben wird. 
Die obige Bestimmung des Begriffs der Wertpapiere ist zuerst mit gebührender Schärfe 
von Brunner? aufgestellt. Doch hat sie bloß systematischen Wert, darf dagegen bei der Aus- 
legung von Gesetzen nur mit größter Vorsicht verwendet werden. Denn es ist zweifellos, 
daß unfre Gesetze, die älteren wie die neueren, mit dem Ausdruck „Wertpapier" keineswegs 
einen bestimmten gleichmäßigen Sinn verbinden. Es ist deshalb für jede gesetzliche Regel, 
die den Ausdruck braucht, besonders zu untersuchen, welche Bedeutung gerade sie ihm bei- 
legt (s. 700 II, 702, 1296, 1818, 3 PO. 821 usw.).“ 
b) Die zweite Hauptgruppe umfaßt die Urkunden ohne Wertpapier- 
charakter, d. h. alle Urkunden, die ein Recht so verbriefen, daß es grund- 
sätzlich auch ohne Vorlegung der Urkunde geltend gemacht werden kann. 
3. Die folgende Darstellung kann keine vollständige sein. Sie beschränkt 
sich vielmehr auf solche Urkunden mit oder ohne Wertpapiercharakter, die eine 
einseitige „Schuldverschreibung“ enthalten, und berücksichtigt von andern Ur- 
kunden nur noch die Inhabergrundschuldbriefe, da das Gesetz diese ausdrücklich 
nach Analogie der Schuldverschreibungen auf den Inhaber behandelt wissen 
will (1195). Dagegen werden ausgeschieden die zweiseitigen Vertragsurkunden, 
die Hypotheken= und gewöhnlichen Grundschuldbriefe, die Urkunden über kor- 
porative Mitgliedsrechte (Aktien, Kuxe u. dgl.), die erbrechtlichen Urkunden 
usw.: ihrer ist an andern Stellen dieses Werks oder in den Darstellungen des 
Handels= und des Bergrechts zu gedenken. 
Hierdurch erklärt es sich, daß in den nächstfolgenden Paragraphen nur von „Inhaber- 
schuldverschreibungen“ und nicht allgemein von „Inhaberpapieren“ die Rede ist. Denn die 
folgende Darstellung schließt eben einen großen Teil der Inhaberpapiere, nämlich alle, die, 
wie die Inhaberaktien, keine Schuldverschreibung enthalten, absichtlich aus. 
II. Hauptquelle des Rechts der Urkunden ist neben dem bürgerlichen Ge- 
setzbuch die Wechselordnung, das Handelsgesetzbuch und die Zivilprozeßordnung. 
Im bürgerlichen Gesetzbuch finden sich urkundenrechtliche Regeln zerstreut durch 
alle fünf Bücher (233, 793 ff., 952, 1293, 1362 I, 1818, 2116 usw.). 
I. Die Schuldverschreibungen auf den Inhaber. 
1. Die Inhaberschuldverschreibungen im allgemeinen. 
a) Der Begriff der Inhaberschuldverschreibung. 
§ 255. 
I. Eine Inhaberschuldverschreibung ist eine Urkunde, in der je- 
mand dem jeweiligen „Inhaber“ („Überbringer", „Vorzeiger“) der Urkunde 
eine Leistung gegen Rückgabe der Urkunde einseitig verspricht. 
2) Brunner in Endemanns Handb. des Handelsrechts 2 (82) S. 147. 
3) Jacobi, Wertpapiere (01) S. 11. 
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