402 Buch IV. Das Recht der Urkunden.
und, falls es ihm angemessen erscheint, weitere Beweise zu erheben, insbe-
sondre die von dem Antragsteller in seinem Antrage angebotene eidesstatt-
liche Versicherung ihm wirklich abzunehmen (ZPO. 952 III). Ist das Er-
gebnis der Prüfung ein günstiges, so ist die Kraftloserklärung der Urkunde
nunmehr durch Urteil auszusprechen; andernfalls ist der Antrag durch Beschluß
zurückzuweisen (ZPO. 952 1, IV).
b) Im zweiten Fall kann das Gericht in derselben Weise verfahren wie
im ersten, muß dann aber, wenn es die Kraftloserklärung ausspricht, dem
Dritten alle seine Rechte vorbehalten; es kann aber auch bis zur Erledigung
des Streits zwischen dem Antragsteller und dem Dritten seine eigne Ent-
scheidung aussetzen (s. ZPO. 953).
Beispiel. Bei einem Brande ist eine in A.s Verwahrung befindliche Inhaberschuld-
verschreibung verschwunden, indem sie entweder gestohlen oder verloren gegangen oder ver-
brannt ist; auf A.s Antrag wird die Urkunde aufgeboten; im Aufgebotstermin legt B. eine
verkohlte, nur schwer erkennbare Urkunde vor und behauptet, sie sei mit der dem A. abhanden
gekommenen identisch; darüber wie er in ihren Besitz gelangt, macht er keine Angaben; die
Verkohlung soll erst eingetreten sein, nachdem er selber sie erworben hat; erforderlichenfalls
werde er das Ausgebot der Urkunde später seinerseits beantragen. Hier wird das Gericht,
wenn es überzeugt ist, daß die von B. vorgelegte Urkunde mit der für A. aufgebotenen identisch
ist, die Krastloserklärung ablehnen. Umgekehrt wird das Gericht, wenn es die gegenteilige
Überzeugung gewinnt, die aufgebotene Urkunde für kraftlos erklären, jedoch dem B. seine
etwaigen Rechte an ihr vorbehalten. Ist endlich das Gericht im Zweifel über die Identität
der aufgebotenen und der von B. vorgelegten Urkunde, so wird es seine Entscheidung aus-
setzen, bis A. und B. ihren Streit im Prozeßwege ausgetragen haben.
III. Die Wirkung der Kraftloserklärung ist eine positive und eine
negative.
1. Einerseits stehn alle Rechte, die, wenn die Kraftloserklärung der Ur-
kunde unterblieben wäre, der verfügungsberechtigte Inhaber unter Vorlegung
oder Aushändigung der Urkunde gegen den Aussteller geltend machen dürfte,
nunmehr unabhängig von der Urkunde dem zu, der die Kraftloserklärung be-
antragt hat (ZPO. 1018); ja auf sein Verlangen muß der Aussteller ihm
sogar statt der für kraftlos erklärten eine neue Inhaberschuldverschreibung
gleichen Inhalts ausstellen (800).
Beispiele. A. hat eine Inhaberschuldverschreibung, die er dem B. gestohlen hatte, ver-
loren; auf seinen Antrag hin wird die Urkunde für kraftlos erklärt. Hierdurch erlangt er
dieselbe Rechtsstellung, wie wenn er die Urkunde noch in seiner Inhabung hätte, mit zwei
Unterschieden. I. A. ist schlechter gestellt als bisher, weil er das Aufgebotsurteil nicht
mit der nämlichen Rechtswirkung wie die für kraftlos erklärte Urkunde veräußern kann;
tritt er also seine Rechte aus dem Urteil an den C. ab, so ist dieser allen Einwendungen
ausgesetzt, die gegenüber A. begründet waren. Doch kann A. diesen Mißstand dadurch be-
seitigen, daß er sich von dem Aussteller eine neue Urkunde geben läßt. II. A. ist besser
gestellt als bisher (!), weil der Aussteller ihm den Einwand, daß er nicht zur Verfügung
über die Urkunde berechtigt ist, fortab nicht mehr entgegenstellen kann.
Letztere Entscheidung ist so sonderbar, daß ich mich noch in der letzten Auflage meines