§ 262. Unverzinsl. Inhab.-Schuldverschr. auf Sicht. § 363. Off. Anleihe. 407
ungültig; daß die Formvorschrift in den Text der Anleihescheine ausgenommen wird, ist,
anders als bei privaten Inhaberpapieren, nicht erforderlich (Reichsschuldenordn. v. 19. März
1900 53§ 4, 7 IV). Entsprechende Formvorschriften gelten landesgesetzlich für die Anleihe=
scheine der Einzelstaaten und der Gemeindeverbände, namentlich in Preußen (EG. 100 Nr.
1; preuß. AusfGes. 17 § 1).
II. 1. Die Ausgabe („Begebung"“) der einzelnen Anleihescheine geschieht
meistens dadurch, daß der Schuldner oder eine von ihm bestellte Mittelsperson,
namentlich ein Bankkonsortium, die Scheine verkauft: das Anleihegeschäft ist also
nicht, wie man aus seinem Namen schließen möchte, Darlehn, sondern Kauf. Der
von den Käufern zu entrichtende Preis bildet die Anleihevaluta und wird
meistens in Prozenten des Nennwerts der Anleihescheine, d. h. des in den An-
leihescheinen verschriebenen Kapitals bestimmt (Emissionskursg; je nachdem
der Prozentsatz über, gleich oder unter 100 ist, sagt man, die Anleihe sei über
pari, al pari oder unter pari emittiert.
Die öffentliche Anleihe ist kein Darlehn. Denn der Darlehnsgeber gibt eine Geld-
summe fort, damit der Schuldner ihm die gleiche Summe wiedergebe; freilich können Un-
gleichheiten der dargeliehnen und der zurückzuerstattenden Geldsumme auch beim Darlehn vor-
kommen: sie müssen aber alsdann durch besondre Nebenabreden der Parteien, z. B. durch
Verrechnung auf Zinsen oder Provisionen, erklärt werden. Bei der öffentlichen Anleihe da-
gegen denken die Geldgeber von vornherein nicht daran, die gleiche Summe einzuzahlen, die
der Schuldner ihnen später zu bezahlen verspricht, sondern sie berechnen, was das Papier,
das der Schuldner ihnen gibt, wert ist, und zahlen dann ebendiesen Wert, d. h. sie „kaufen“
jenes Papier und zahlen dafür einen Preis.=
Im Einzelfall kann ein Anleiheschuldner seinen Schein auch in andrer Art begeben
als durch Kauf, z. B. durch Hingabe an Zahlungs Statt oder durch ein Darlehn, bei dem
er der Darlehnsgeber ist. Beispiele: I. der preußische Staat kauft eine einer Aktiengesell-
schaft gehörige Eisenbahn an und erlegt den Kaufpreis nicht in bar, sondern dadurch,
daß er jedem Aktionär eine Anzahl preußischer Anleihescheine liefert; II. eine Hypotheken-
bank (s. unten § 264) gewährt einem Grundstückseigentümer ein Darlehn von 1000 Mk. durch
Hingabe eines von ihr selber ausgestellten auf die gleiche Summe lautenden Pfandbriefs.
2. Die Ausgabe der Anleihescheine kann freihändig — namentlich durch
allmählichen Verkauf der Scheine an der Börse — oder durch eine öffentliche
Subskription vor sich gehn.
Die Subskription beginnt damit, daß der Schuldner oder die von ihm bestellte Mittels-
person die Anleihe „auflegt“, d. h. unter Zugrundelegung eines Prospekts öffentlich zum
Kauf der Anleihescheine einladet. Sodann „zeichnen“ verschiedene Personen je einen Teil-
betrag der Anleihe; die Zeichnung muß nach näherer Vorschrift des Prospekts schriftlich bei
gewissen Zeichenstellen eingereicht werden und meist von einer Anzahlung begleitet sein;
rechtlich bedeutet sie den Antrag, dem Urheber der Subskription einen Teil der Anleihescheine
nach Maßgabe des Prospekts abzukaufen; sie ist während der im Prospekt genannten Zeit
oder, wenn der Prospekt schweigt, binnen der verkehrsüblichen Frist unwiderruflich. Hierauf
erklärt sich der Urheber der Subskription über die Zeichnungen, indem er sie nach Gutdünken
annimmt oder ablehnt; sehr häufig behält er sich in dem Prospekt die Befugnis vor, die
Zeichnungen nach Belieben zu „reduzieren"“, d. h. sie nur zu einem Teil anzunehmen,
namentlich für den Fall einer Überzeichnung; gibt er binnen der Annabmefrist keine Er-
klärung ab, so gilt sein Schweigen nur in Ausnahmefällen als Annahme. Den Abschluß
macht, daß, soweit die Zeichnungen angenommen sind, die gezeichneten Anleihescheine (oder
2) Kahlke, rechtl. Natur der öff. Anleihe (97).