470 Buch V. Das Gemeinschaftsrecht.
II. Die Rechtsgemeinschaft nach Bruchteilen.
1. Begriff. Entstehung.
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I. 1. Eine Rechtsgemeinschaft nach Bruchteilen (chlichte Rechts-
gemeinschaft, communio) liegt vor, wenn mehrere Personen ein Recht erwerben,
ohne daß einer der eben erörterten Fälle der Rechtsgemeinschaft zur gesamten
Hand oder ein Fall der alsbald zu besprechenden Rechtsgemeinschaft mit Ge-
samtberechtigung gegeben ist (s. 741). Sie ist also ein Lückenbüßer, der nur
dann eintritt, wenn eine Rechtsgemeinschaft sich keiner sonstigen Gemeinschafts-
kategorie unterordnen läßt.
Beispiele. I. A. und B. haben 1908 eine Doppelvilla auf 10 Jahre gemeinsam ge-
mietet und sich in ihren Gebrauch so geteilt, daß A. die östliche, B. die westliche Villa allein
bewohnt; 1910 haben sie beschlossen, die Doppelvilla, in vier Wohnungen geteilt, ständig an
Untermieter abzugeben. Hier bilden A. und B. seit 1910 eine Gesellschaft (s. oben S. 440
Fall IlI), also eine Gemeinschaft zur gesamten Hand; dagegen bildeten sie von 1908 bis 1910
eine Rechtsgemeinschaft nach Bruchteilen. II. C. und D. geben dem E. gemeinsam ein Darlehn
von 20 000 Mk. mit der ausdrücklichen Klausel, daß die Darlehnsforderung ihnen zusammen
zustehn soll. Hier ist im Zweifel anzunehmen, daß sie weder Gesamthand= noch Gesamt= noch
Teilgläubiger, sondern Mitgläubiger nach Bruchteilen sein sollen.
2. Die Gesamtheit der Teilhaber, die durch eine Rechtsgemeinschaft nach
Bruchteilen miteinander verbunden sind, stellt ebensowenig eine einheitliche
Person dar wie die Gesellschaft. Ja sie bildet nicht einmal einen einheitlichen
Personenverband mit wechselnden Mitgliedern wie diese, sondern ändert mit
jedem Eintritt eines neuen, mit jedem Austritt eines alten Mitgliedes ihre
Individualität.
Beispiel. A. und B., denen ein Haus gemeinsam nach Bruchteilen gehört, wollen den
C. in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Hier müssen sie das Haus dem C. anteilig übereignen;
denn es gehörte bisher dem A. und dem B. als individnell bestimmten Personen und soll
fortab dem A., dem B. und dem C. als individuell bestimmten Personen gehören. Das
läßt sich aber nur durch eine anteilige Ubereignung des Hauses an C. bewirken.
II. Die Rechtsgemeinschaft nach Bruchteilen kann nicht bloß, wie die
Gesellschaft, durch Vertrag, sondern auch in mannigfach andrer Art begründet
werden; insbesondre tritt sie nicht selten kraft Gesetzes ein.
Beispiele. I. Siehe die Fälle oben zu I. II. Wenn jemand auf fremdem Grund und
Boden einen Schatz hebt, so werden er und der Grundstückseigentümer kraft Gesetzes Mit-
eigentümer des Schatzes nach Bruchteilen.