512 Buch VI. Das Recht der juristischen Personen.
gliederstandes die Rechtsfähigkeit entzieht (s. 73 II); es kann also sehr wohl
geschehn, daß der Verein in der Zwischenzeit, bis der Beschluß ergeht,
monatelang mit einem oder zwei Mitgliedern oder gar ohne alle Mitglieder
fortbesteht.? Der Beschluß ergeht entweder auf Antrag des Vorstandes oder,
wenn dieser den Antrag nicht binnen drei Monaten stellt, von Amts wegen
(73 D.
Beispiel. Ein Verein besteht nur aus vier Mitgliedern; nun sterben diese vier, so
daß, da die Mitgliedschaft nicht vererblich ist, zeitweilig keine Mitglieder da sind. Hier
können, solange als das Amtsgericht nicht die Auflösung des Vereins ausgesprochen hat,
die Erben eines Mitgliedes ihren Eintritt in den Verein erklären — nötigenfalls ist, um
ihre Aufnahme zu ermöglichen, dem Verein vom Gericht ein einstweiliger Vorstand zu be-
stellen (29) — und damit die Auflösung verhindern. Daß ein Verein zeitweilig ohne Mit-
glieder fortbestehn kann, ist keineswegs widersinnig; er ist eben keine Anstalt, die Mitglieder
„hat“, sondern die darauf „angelegt“ ist, Mitglieder zu haben (s. oben S. 486 a).
5. Fünfter Fall: die zuständige Behörde entzieht dem Verein die Rechts-
fähigkeit aus andern Gründen als dem des Mangels einer zureichenden Mit-
gliederzahl; eine solche Maßregel ist statthaft, erstens wenn der Verein als
Zweck einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einen in der Satzung nicht
vorgesehenen religiösen, politischen oder sozialpolitischen Zweck verfolgt (43 II, III),
zweitens wenn der Verein durch gesetzwidriges Verhalten der Mitgliederver-
sammlung oder des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet (43 I); zuständig
ist in Preußen im Verwaltungsstreitverfahren der Bezirksausschuß als erste,
das Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz (preuß. V. v. 16. Novemb. 1899
Art. 2; preuß. Ges. v. 30. Juli 1883 8 83).
Beispiele. I. Ein eingetragener naturwissenschaftlicher Verein hat mit der Herausgabe
populärer Bücher solchen Erfolg, daß er beschließt, daraus ein Gewerbe zu machen. Hier kann
er vom Bezirksausschuß ausgelöst werden, es sei denn, daß er sich bei Zeiten die Rechts-
persönlichkeit auch als gewerbtreibender Verein verleihen läßt und sich dadurch aus einem
„eingetragenen Verein“ in einen „nicht eingetragenen Verein auf der Grundlage des BGB.8s“
(s. unten § 304) verwandelt. II. In den Versammlungen eines geselligen Klubs halten ein-
zelne Mitglieder häufig politische Reden. Hier kann die Auflösung erst verfügt werden,
wenn diese Gepflogenheit so allgemein wird, daß man sagen kann, die Politik sei zum Haupt-
oder wenigstens zum Nebenzweck des Vereins geworden.
5#) Die Wirkungen der Auflösung.
g 302.
I. Die erste Wirkung der Auflösung des eingetragenen Vereins ist, wie
wir wissen, daß der Verein seine juristische Persönlichkeit verliert.
1. Dieser Verlust tritt sofort mit der Auflösung ein, wenn das Vereins-
vermögen nach Maßgabe der alsbald zu besprechenden Regeln auf den Fiskus
übergeht.
2) Abw. Gierke, D. PrR. 1 S. 559.