514 Buch VI. Das Recht der juristischen Personen.
68) Die Liquidation besteht darin, daß die Liquidatoren die laufenden Geschäfte
beendigen, die Vereinsforderungen einziehn, das übrige Vereinsvermögen in
Geld umsetzen, die Vereinsschulden berichtigen und schließlich den Überschuß
des Vermögens dem Anfallsberechtigten ausantworten (49 1 Satz 1).1 Doch
können die Liquidatoren die Einziehung der Forderungen und die Umsetzung
des übrigen Vermögens in Geld auch unterlassen, wenn es weder zur Be-
richtigung der Vereinsschulden noch zur Verteilung des Überschusses unter
die Anfallsberechtigten nötig ist (49 1 Satz 3); in diesem Fall wird also der
lberschuß des Vereinsvermögens den Anfallsberechtigten nicht in Geld, sondern
in Natur ausgeantwortet.
Beispiel. Das Vermögen eines ausgelösten Vereins besteht in einem Hause, einer aus-
stehenden Forderung von 1000 Mk. gegen A. und 1000 Mk. barem Gelde; die Vereins-
schulden betragen 600 Mk.; anfallsberechtigt ist die Stadt B. Hier kann die Liquidation
darauf beschränkt werden, daß die Liquidatoren mit dem baren Gelde die Schulden bezahlen
und das Haus, die Forderung gegen A. und den Überrest des baren Geldes der Stadt
B. ausantworten. Dagegen müßten, wenn die Schulden 1200 Mk. betragen, die Liquida-
toren entweder das Vereinshaus verkausen oder die Forderung gegen A. einziehn oder sich
die zur Bezahlung der Schulden fehlenden 200 Mk., elwa mittels Belastung des Hauses
durch eine Grundschuld in gleicher Höhe, anderweit beschaffen.
)) Die Liquidatoren müssen die Auflösung des Vereins öffentlich bekannt
machen und alle Gläubiger des Vereins, — die bekannten durch besondre Mit-
teilung, die unbekannten öffentlich — zur Anmeldung ihrer Ansprüche auf-
fordern (s. 50). Eine Ausantwortung von Vereinsvermögen an den Aufalls-
berechtigten ist erst statthaft, nachdem ein Jahr (Sperrjahr) seit der öffent-
lichen Aufforderung verstrichen ist und die Liquidatoren alle Vereinsschulden,
die ihnen bekannt geworden oder bei ihnen formell angemeldet sind, durch
Erfüllung, Hinterlegung oder Sicherheitsleistung gedeckt haben (s. 51, 52);
Liquidatoren, die diesen Regeln schuldhaft zuwiderhandeln, sind den Vereins-
gläubigern ersatzpflichtig (53).
Beispiele. I. Das Vereinsvermögen bestand nach Ablauf des Sperrjahrs aus 100 000 Mk.
barem Gelde und war belastet mit Forderungen des A., B., C. und D. von je 10000 Mk.,
von denen die des A. angemeldet und anerkannt, die des B. angemeldet aber bestritten, die
des C. nicht angemeldet aber anerkannt. die des D. weder angemeldet noch anerkannt war.
Hier muß der Liquidator E. die erste Forderung durch Barzahlung, die zweite durch Sicher-
heitsleistung, die dritte durch Hinterlegung decken, während er die vierte unbeachtet lassen
darf, auch wenn er weiß, daß D. die Forderung tatsächlich geltend machen will und ihre An-
meldung nur versehentlich unterlassen hat. Er kann also dem Anfallsberechtigten F. 70000 Mk.
auszahlen. II. Nun nehme man an, daß der Liquidator E. den ganzen Bestand von
100000 Mk. dem F. ausgeantwortet hat. Hier ist zu unterscheiden. 1. A., B. und C.
können zweifellos gegen den Verein auf Berichtigung ihrer Forderungen klagen; denn so-
lange sie nicht bezahlt sind, ist die Liquidation noch nicht beendigt; der Verein besteht also
trotz seiner angeblichen Auflösung noch weiter. Der Verein kann sich die Mittel zur Be-
friedigung der drei dadurch beschaffen, daß er sich von F. 30000 Mk. als zuviel bezahlt
wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückerstatten läßt. Soweit ihm das nicht gelingt, ist
der Liquidator E. den dreien persönlich haftbar, weil er durch die Zuvielzahlung der 30000 Mk.
1) RG. 59 S. 59.