Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 306. Stiftungen. Vermögen. Vorstand. 523 
gegen fehlt es ihr an einem Organ, das der Mitgliedergesamtheit eines ein- 
getragenen Vereins entspräche. Aus diesem Kardinalunterschiede ergeben sich 
aber notwendig einige andre Abweichungen der Stiftungs= von der Vereins- 
organisation. 
a) Die Regel, daß die Mitglieder des Vorstandes eines eingetragenen 
Vereins, wenn die Satzung nichts andres bestimmt, von der Gesamtheit der 
Vereinsmitglieder frei bestellt und abberufen werden, ist bei der Stiftung nicht 
anwendbar. Da eine reichsrechtliche Vorschrift, die an die Stelle dieser Regel 
tritt, fehlt, ist also eine Stiftung, deren Satzung über die Bestellung und 
Abberufung von Vorstandsmitgliedern keine Bestimmungen enthält, nach Reichs- 
recht nicht lebensfähig.“ Doch kann landesrechtlich Abhülfe geschaffen werden; 
insbesondre können die Landesgesetze anordnen, daß in Ermanglung einer 
abweichenden Bestimmung der Satzung die Funktionen des Stiftungsvorstandes 
einer bestimmten Staats= oder Gemeindebehörde zufallen, die Bestellung und 
Abberufung von Vorstandsmitgliedern also nicht weiter in Frage kommt; eine 
derartige Anordnung findet sich namentlich in dem badischen Stiftungsgesetz 
vom 5. Mai 1870. 
b) Die Regel, daß der Vorstand eines eingetragenen Vereins, wenn die 
Satzung nichts andres bestimmt, den Anweisungen Folge leisten muß, die ihm 
die Gesamtheit der Vereinsmitglieder gesetz= und satzungsmäßig erteilt, ist bei der 
Stiftung nicht anwendbar. Da eine reichsrechtliche Vorschrift, die an die Stelle 
dieser Regel tritt, fehlt, ist also ein Stiftungsvorstand, wenn die Satzung ihn nicht 
anderweit beschränkt, nach Reichsrecht sehr viel freier gestellt als ein Vereinsvor- 
stand. Doch können auch hier landesrechtliche Normen eingreifen, die die Unab- 
hängigkeit des Stiftungsvorstandes schmälern (85); insbesondre ist die Bestimmung 
statthaft, daß jeder Stiftungsvorstand sich die fortlaufende Beaufsichtigung durch 
eine staatliche Aufsichtsbehörde gefallen lassen muß (s. pr. L R. II, 13 § 13). 
J0) Die Regel, daß die Satzung eines eingetragenen Vereins durch Beschluß 
der Mitgliedergesamtheit willkürlich abgeändert werden kann, ist bei der 
Stiftung nicht anwendbar. An ihre Stelle treten folgende reichs= und für 
Preußen folgende landesgesetzliche Vorschriften. 
#) Nach Reichsrecht ist eine Satzungsänderung nur in seltenen Ausnahme- 
fällen zulässig, nämlich nur dann, wenn ohne sie die Erfüllung des Stiftungs- 
zwecks ganz unmöglich wäre oder das Gemeinwohl gefährden würdez ist diese 
Voraussetzung aber gegeben, so kann die Satzungsänderung eine radikale sein 
und darf demgemäß der Stiftung sogar eine ganz andre Zweckbestimmung geben 
als die vom Stifter vorgeschriebene; immerhin soll dabei die Absicht des Stifters 
tunlichst berücksichtigt und namentlich dafür Sorge getragen werden, daß die 
Erträge des Stiftungsvermögens dem Personenkreise, dem sie zustatten kommen 
sollen, im Sinn des Stifters tunlichst erhalten bleiben (87 I, II). Zuständig 
4) Biermann, BR. S. 516; Leonhard, S. 120.
	        
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