528 Buch VI. Das Recht der juristischen Personen.
besteht, das dieser in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt unter
Verletzung der ihm gegenüber dem Geschädigten obliegenden Amtspflichten
begangen hat (RGes. vom 22. Mai 1910).
a) In diesem Fall soll nämlich die Haftung des Reichs auch dann Platz
greifen, wenn der schuldige Beamte kein „verfassungsmäßiger Vertreter des
Reichs“ im Sinn der Regel zu 1, sondern ein untergeordneter Beamter ge-
wesen ist.
6) Dagegen soll der schuldige Beamte dem Geschädigten gegenüber haftfrei
sein; das Reich ist aber befugt, seinerseits von dem Beamten Ersatz des Schadens
zu fordern, den es durch seine eigne Haftung gegenüber dem Geschädigten
erleidet.
Den Reichsbeamten gleichgestellt sind in Ansehung der Regel zu a alle Personen des
Soldatenstandes außer denen des bayrischen Kontingents (RGes. v. 1910 § 1 III). Um-
gekehrt ist die Regel unanwendbar bei Beamten, die auf den Bezug von Gebühren ange-
wiesen sind (RGes. v. 1910 § 5 Nr. 1).
Der Ersatzanspruch des Reichs gegen den schuldigen Beamten verjährt in drei Jahren
von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzanspruch des Dritten gegenüber diesem vom Reich
anerkannt oder gegenüber dem Reich rechtskräftig festgestellt ist (RGes. v. 1910 § 2).
War eine persönliche Verantwortlichkeit des Beamten für seine Handlung ausgeschlossen,
weil er den Schaden im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbe-
stimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so
bleibt das Reich trotzdem haftbar, jedoch nur insoweit, als es der Billigkeit entspricht. Das
folgt schon aus allgemeinen Regeln (s. oben S. 508 Abs. 1 Beispiel III), ist aber überdies
gesetzlich besonders festgestellt (RGes. v. 1910 § 1 II).
b) Eine analoge Ausnahme gilt für Staats= und Kommunalbeamte in
Preußen, Bayern und andern Staaten (EG. 77; preuß. Ges. v. 1. August 1909;
bayr. AusfGes. 60; württemb. AusfGes. 202 usw.).
Anhang. Rüchblick auf das bisherige Recht.
8 309.
I. Schon das deutsche Mittelalter hat die privatrechtlichen Körperschaften
und Stiftungen sowie gewisse Organisationen des öffentlichen Rechts als juri-
stische Personen anerkannt. Doch hat es allgemeine, für sämtliche Arten der
juristischen Personen geltende Regeln nur in geringem Umfange entwickelt.
Hervorgehoben sei!,
1. daß bei privatrechtlichen Körperschaften und Stiftungen die Gründung
dem freien Belieben der Beteiligten überlassen und also weder die Eintragung in
öffentliche Register noch die Einholung staatlicher Genehmigung erforderlich war;
2. daß die Rechts= und Handlungsfähigkeit der juristischen Personen in
gleichem Umfange anerkannt war wie im heutigen Recht;
1) Gierke, D. PrR. 1 §§ 66, 67; Hübner S. 110fff.