§ 315. Nichtige und anfechtbare Ehen. 547
b) Die zweite Ausnahme gilt im Verhältnis der Scheinehegatten zu ihren
Kindern: sind die Kinder gezeugt, bevor die Ehe für nichtig erklärt oder auf-
gelöst ist, so gelten sie als unehelich nur dann, wenn beide Gatten die Nichtig-
keit der Ehe bei der Eheschließung gekannt haben oder wenn sie auch bei
Gültigkeit der Ehe als unehelich gelten würden (1699).
IP) Die dritte Ausnahme gilt im Verhältnis der Scheinehegatten zu dritten
Personen: wird zwischen einem der Gatten und einem Dritten ein Rechts-
geschäft abgeschlossen, bevor die Ehe für nichtig erklärt oder aufgelöst ist, so
kann die Nichtigkeit der Ehe zu ungunsten des Dritten nur geltend gemacht
werden, wenn sie ihm zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts erweislich
bekannt gewesen ist; eine analoge Regel gilt für Urteile, die in Prozessen
zwischen einem der Gatten und einem Dritten ergehn, wenn der Prozeß noch
vor der Nichtigkeitserklärung oder der Auflösung der Ehe rechtshängig ge-
worden ist (1344).
6. a) In gewissen Fällen kann eine Scheinehe mit rückwirkender Kraft
in eine vollgültige Ehe verwandelt werden („heilbare“" Nichtigkeit).
a) Eine Ehe, die wegen Formfehlers nichtig ist, wird gültig, wenn die
Gatten nach Eintragung ihrer Ehe im Heiratsregister zehn Jahre (oder, falls
einer von ihnen vorher gestorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens
drei Jahre) als Ehegatten miteinander gelebt haben, ohne daß bis zum Ablauf
der zehn Jahre oder bis zum Tode des einen Gatten die Nichtigkeitsklage
erhoben ist (1324 II).
6) Eine Ehe, die wegen Geschäftsunfähigkeit oder Geistesstörung eines
Gatten nichtig ist, wird gültig, wenn dieser Gatte nach dem Wegfall der Ge-
schäftsunfähigkeit oder Geistesstörung die Ehe bestätigt, bevor sie für nichtig
erklärt oder aufgelöst worden ist; die Bestätigung kann formlos erfolgen (1325 1I).
0) Eine Ehe, die wegen des Ehehindernisses des Ehebruchs nichtig ist, wird
gültig, wenn von dem Hindernis nachträglich Befreiung bewilligt wird (1328 1).
b) In allen andern Fällen ist die Nichtigkeit einer Scheinehe unheilbar.
Dies gilt namentlich für den Fall der Doppelehe: hier bleibt die zweite Ehe
nichtig, auch wenn die erste nachträglich durch den Tod des andern Gatten
oder durch Scheidung aufgelöst wird.
7. Ist die Nichtigkeitserklärung erfolgt, so soll dies im Heiratsregister
eingetragen werden. (RGes. v. 6. Febr. 1875 § 55).
III. 1. a) Die Verbindung von Mann und Weib ist eine anfechtbare
Ehe in folgenden drei Fällen (1330—1335):
a) Einer der Gatten war zur Zeit der Eheschließung beschränkt geschäfts-
fähig und hat ohne Einwilligung seines Gewalthabers gehandelt.
6) Einer der Gatten hat sich bei der Eheschließung in einem erheblichen
Irrtum befunden.
*) Einer der Gatten ist zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch
Drohungen gezwungen.