548 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
b) Ein vierter Anfechtungsfall wird erst später, bei Darstellung der Auf-
lösung der Ehe (unten § 316 II) zu erwähnen sein. Die im folgenden zu
besprechenden Regeln sind auf diesen Fall nur mit manchem Vorbehalt an-
wendbar.
2) Das Anfechtungsrecht steht zu (1331—1336; ZPO. 612 Ih:
a) wenn die Ehe mangels Einwilligung des Gewalthabers eines beschränkt
geschäftsfähigen Gatten anfechtbar ist, diesem Gatten, jedoch mit der Maßgabe,
daß, solange er die volle Geschäftsfähigkeit nicht erlangt hat, das Anfechtungs-
recht nur von seinem Gewalthaber ausgeübt werden darf,
b) wenn die Ehe wegen Irrtums anfechtbar ist, dem irrenden,
c) wenn die Ehe wegen Zwanges anfechtbar ist, dem gezwungenen Gatten.
3. Die Anfechtung ist stets ein Formalakt. Sie erfolgt nämlich nur
durch Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den andern Gatten oder, wenn
dieser gestorben ist, durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung an das Nach-
laßgericht (1341 I, 1342 0).
4. a) Die Anfechtung muß binnen sechs Monaten erfolgen; die Frist be-
ginnt: bei der Ehe des beschränkt geschäftsfähigen Gatten, sobald der Gewalt-
haber die Eingehung der Ehe erfährt oder der Gatte unbeschränkt geschäfts-
fähig wird; bei der irrtümlich eingegangenen Ehe, sobald der irrende Gatte
den Irrtum oder die Täuschung entdeckt; bei der erzwungenen Ehe, sobald die
Zwangslage aufhört (1339 I, I).
b) Außerdem erlischt das Anfechtungsrecht mit dem Tode des berechtigten
Gatten; dessen Erben können also zwar die von ihm bereits erklärte Anfech-
tung weiter verfolgen, dagegen die von ihm unterlassene Anfechtungserklärung
nicht nachholen (1338).
c) Ebenso erlischt das Anfechtungsrecht, wenn die anfechtbare Ehe vor
Erklärung der Anfechtung geschieden wird (1338).
5. Eine anfechtbare Ehe macht, wenn sie tatsächlich angefochten wird,
regelmäßig ein dreifaches Stadium durch (1343).
a) Solange die Anfechtung unterbleibt, ist die Ehe vollgültig.
b) Sobald sie angefochten wird, ist die Ehe nichtig 38; die Nichtigkeit kann
aber nur von dem Ansfechtungsberechtigten selbst geltend gemacht werden, und
auch von ihm nur im Rahmen seines Anfechtungspreozesses.
c) Kommt zu der Ansfechtung hinzu, daß die Ehe in dem Anfechtungs-
prozeß durch Urteil für nichtig erklärt oder daß sie aufgelöst wird, so kann
die Nichtigkeit von jedermann in jeder beliebigen Art geltend gemacht werden.
6. Ist eine anfechtbare Ehe angefochten, so gilt sie als nichtig von Anfang
an, weshalb denn auch überall, wo das Gesetzbuch von nichtigen Ehen spricht,
die rechtmäßig angefochtenen Ehen mit einbegriffen sind. Ihre Nichtigkeit be-
Za) Zitelmann a. a. O. S. 7. Abw. Hellwig, Lehrb. 1 S. 239 12.