550 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht.
1. Vollgültig ist also eine Ehe, bei der irgendeine unwesentliche Form-
vorschrift verletzt ist: es ist etwa das Aufgebot unterblieben; ein unzuständiger
Standesbeamter hat die Eheschließung vorgenommen; der Standesbeamte hat
die Brautleute nicht für Eheleute erklärt, keine Zeugen zugezogen, keine Ein-
tragung im Heiratsregister gemacht.
2. Vollgültig ist ferner eine Ehe von Personen, denen die Ehemündigkeit
oder die elterliche Erlaubnis zur Eheschließung fehlt.
3. Vollgültig ist ferner die Ehe von Personen, deren eine mit einem
gradlinigen Verwandten der andern in außerehelichem geschlechtlichem Verkehr
gestanden hat.
4. Vollgültig ist ferner die Ehe, wenn einer der Gatten zur Zeit der
Eheschließung anderweit verheiratet war, sofern die erste Ehe ungültig ist usw.
2. Bic Auflösung der Ehe.
§ 316.
Die Ehe wird regelmäßig erst durch den Tod eines Gatten aufgelöst.
Ausnahmsweise erreicht sie aber ihr Ende noch bei Lebzeiten beider Gatten,
nämlich durch Scheidung oder, wenn einer der Gatten fälschlich für tot erklärt
ist, durch Wiederverheiratung des andern Gatten.
I. 1. Die Ehescheidung erfolgt durch gerichtliches Urteil (1564). Das
Urteil setzt voraus, daß ein Gatte den andern auf Scheidung verklagt. Die
Klage ist in folgenden Fällen zulässig.
a) Der Beklagte hat sich des Ehebruchs schuldig gemacht; dem Ehebruch
gleichgestellt sind die strafbare widernatürliche Unzucht und die Eingehung
einer strafbaren Doppelehe, nicht aber sonstige Vergehen wider die Sittlichkeit,
geschweige denn ein bloßer Ehebruchsversuch; unstatthaft ist die Klage, wenn
der Kläger dem Ehebruch zugestimmt hatte (1565).
b) Der Beklagte hat dem Kläger nach dem Leben getrachtet (1566).
c) Der Beklagte hat den Kläger böslich verlassen 2; eine solche bösliche
Verlassung liegt regelmäßig nur vor, wenn die Gatten nicht in häuslicher
Gemeinschaft miteinander leben und der Beklagte, obschon er dazu gerichtlich
verurteilt ist, die Gemeinschaft gegen den Willen des Klägers binnen eines
Jahrs nach Rechtskraft des Urteils in böslicher Absicht nicht herstellt; nur
wenn der Aufenthalt des Beklagten ein Jahr lang unbekannt ist, bedarf es
seiner vorgängigen Verurteilung zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft
nicht: es genügt vielmehr die Tatsache, daß er ein Jahr lang gegen den Willen
des Klägers in böslicher Absicht von der häuslichen Gemeinschaft ferngeblieben
ist (1567).3
1) Erler, Ehescheidungsrecht, 2. Aufl. (99); Davidson, Recht der Ehescheidung (00);
A. Schmidt, Ehescheidung nach richterlichem Ermessen (00).
2) Süßheim Arch. f. ziv. Pr. 91 S. 406. 3) RG. 60 S. 194, 72 S. 322.