Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 316. Ehescheidung. 553 
Tatsachen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden kann, sind aber 
deshalb rechtlich nicht belanglos, sondern können bei einer auf andre Tatsachen gegründeten 
Scheidungsklage zur Unterstützung geltend gemacht werden (1573).7 Das ist aber natürlich 
nur erheblich, wenn der neue Scheidungsgrund kein absoluter ist. — Beispiel. Eine Frau läßt 
sich von einem Mann unpassende Vertraulichkeiten gefallen. Hier liegt an und für sich noch 
kein Scheidungsgrund vor; ist aber die Frau kurze Zeit vorher des Ehebruchs mit ebendiesem 
Mann überführt, so ist ein Scheidungsgrund gegeben, auch wenn der Ehemann jenen Ehebruch 
als solchen verziehn hat. 
6. Sobald ein Gatte befugt ist, die Scheidungsklage zu erheben, kann er, 
wie später zu zeigen, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem andern Gatten 
eigenmächtig lösen, selbst dann, wenn er die Klage tatsächlich nicht erhebt 
und auch niemals erheben will (1353 II). Hat er die Klage erhoben oder ist 
ein Sühnetermin angesetzt, so kann er auch einstweilige gerichtliche Schutz- 
maßregeln zu seinen eignen und der Kinder gunsten erbitten (ZPO. 627). 
7. Die endgültige Auflösung der Ehe tritt erst mit Rechtskraft des 
Scheidungsurteils ein; sie ist im Heiratsregister am Rande neben der auf die 
Eingehung der Ehe bezüglichen Eintragung zu vermerken (1564 Satz 3; RGes. 
v. 6. Febr. 1875 § 55). 
8. Wird die Scheidung der Ehe wegen eines Verschuldens des Beklagten 
ausgesprochen, so ist in dem Urteil ausdrücklich zu erklären, daß er die Schuld 
an der Scheidung trage (1574 1). Doch kann außer dem Beklagten auch der 
Kläger für schuldig erklärt werden: dies ist zulässig, 
a) wenn der Beklagte eine begründete Widerklage auf Scheidung er- 
hoben hat (1574 II), 
b) auch ohne Erhebung einer Widerklage, wenn Tatsachen vorliegen, 
wegen deren der Beklagte auf Scheidung klagen könnte oder (falls sein Recht 
auf Scheidung durch Verzeihung oder Zeitablauf ausgeschlossen ist) zur Zeit 
des Eintritts des von dem Kläger geltend gemachten Scheidungsgrundes be- 
rechtigt gewesen wäre, auf Scheidung zu klagen (1574 III).8 
Beispiel. A. hat seine Frau im Januar, im April und im September 1909 gröblich 
mißhandelt; im Mai 1911 verklagt er die Frau wegen eines von ihr im August 1909 be- 
gangenen, aber erst im Januar 1911 zu seiner Kenntnis gelangten Ehebruchs auf Scheidung. 
Hier kann die Frau das Schuldig gegen ihren Mann nur auf Grund der zweiten Miß- 
handlung beantragen. 
Das Schuldig ist gegen den Beklagten und im Fall a auch gegen den Kläger (Wider- 
beklagten) von Amts wegen, im Fall b ist es gegen den Kläger nur auf Antrag auszu- 
sprechen. Werden beide Gatten für schuldig erklärt, so findet eine Entscheidung darüber, ob 
dem einen eine größere Schuld zur Last fällt als dem andern, nicht statt. 
9. Der Ehescheidung nahe steht die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft 
zwischen den Gatten. Siehe hierüber unten S. 554 a. 
II. Ist ein verschollener Gatte für tot erklärt, so wird vermutet, daß 
er wirklich gestorben sei (18): der andre Gatte kann also von neuem heiraten 
7) RE. 49 S. 38. 
8) RG. 70 S. 335.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.