Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

558 Buch VII. Abschnitt 2. Das Eherecht. 
des Prozeßgerichts beiden Gatten erlassen werden; der Erlaß dauert aber nur 
so lange wie der Scheidungsprozeß (8P#. 627). 
Zu b steht der Ehescheidungsklage jede Klage gleich, welche die Nichtigkeit oder An- 
fechtung der Ehe zum Gegenstande hat, auch wenn sie nicht von einem der Gatten, sondern 
z. B. vom Staatsanwalt erhoben ist (8PO. 627). 
II. 1. In der persönlichen Lebensgemeinschaft der Gatten steht die führende 
Rolle kraft seiner eheherrlichen Gewalt dem Ehemann zu. 
a) Kraft seiner eheherrlichen Gewalt bestimmt der Mann den gemeinsamen 
Wohnort und die gemeinsame Wohnung der Gatten; doch ist seine Bestimmung 
für die Frau unverbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist (1354). 
b) Kraft seiner eheherrlichen Gewalt kann der Mann verlangen, daß die 
Frau in dem gemeinsamen Hauswesen und in dem ehemännlichen Geschäft 
persönlich mitarbeitet; doch ist dies Verlangen nur berechtigt, soweit eine 
solche Tätigkeit der Frau den Verhältnissen entspricht, in denen die Gatten 
leben 3; Dienstleistungen in einem fremden Hauswesen oder Geschäft oder eine 
selbständige Erwerbstätigkeit kann der Mann der Frau nur zumuten, wenn 
es zur Beschaffung des gemeinsamen Unterhalts nötig ist (1356, 1354 I, 1360 1l). 
I) Kraft seiner eheherrlichen Gewalt kann der Mann auch alle sonstigen 
die persönliche Lebensgemeinschaft der Gatten berührenden Angelegenheiten 
gebieterisch regeln; doch ist sein Gebot unwirksam, wenn es mißbräuchlich er- 
geht, also namentlich dann, wenn es der billigen Rücksicht auf die Individualität 
der Frau und den Regeln der Sitte widerspricht (s. 1354). 
Beispiele. I. Der Mann ist, wenn man dem Wortlaut des B. trauen darf, wohl- 
befugt, die Arbeit der Frau außer dem Hause, ihren Umgang mit Verwandten und Freun- 
dinnen, ihren Brieswechsel, ihre Lektüre, ihren Kirchenbesuch, ihre Toilette, die Pflege ihrer 
Gesundheit zu kontrollieren.“ Denn alle diese Dinge sind wenigstens mittelbar auch für das 
gemeinsame eheliche Leben von größter Bedeutung. II. Er darf aber nicht so weit gehn, ihr 
aus Hochmut jeden Erwerb außer dem Hause zu untersagen, während die Familie bittre Not 
leidet; er kann ihr den Verkehr mit ihrer Mutter nicht völlig verbieten; er kann ihr keinen 
bestimmten Beichtvater und keine bestimmte Toilette aufnötigen usw. Denn täte er es, so 
würde er seine Gewalt mißbrauchen. 
4) Besonders geregelt ist der Fall, daß die Frau sich nach ihrer Ver- 
heiratung ohne die eheherrliche Zustimmung ihres Mannes einem Dritten ver- 
tragsmäßig zu persönlichen Diensten verpflichtet. Hier kann nämlich das 
Vormundschaftsgericht auf Antrag eines Gatten eingreifen wie folgt. 
a) Das Gericht kann erstlich die Frau auf ihren Antrag zum Abschluß 
des Vertrages ermächtigen. Dies ist zulässig: I. allgemein, wenn der Mann 
seine Zustimmung zu dem Vertragsschluß aus offenbar unzureichenden Gründen 
verweigert, II. in Eilfällen (oben S. 556 IV). Die Wirkung der Ermächtigung 
ist, daß der Mann den Anspruch des Dritten auf die Dienste seiner Frau trotz 
seiner eheherrlichen Gewalt nicht in Frage stellen kann (1358 MUl). 
3) RG. 63 S. 195, 72 S. 165. 
4) Opet zu 8 1354. Abw. Dernb., BR. 4 § 32 III; Staudinger-Engelmann Anm. 1 
zu § 1364. 5) Vgl. RG. 59 S. 258.
	        
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