Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

§ 180. Offentlicher Glaube, Fiktion der Unfehlbarkeit des Grundbuchs. 41 
Zeit, als die Hypothel des 1 noch nicht gelöscht war. Demnach kann IIa nicht behaupten, 
daß die Löschung der Hypothek des I ihm gegenüber als rechtmäßig fingiert werden müßte; 
seine Hypothek nimmt also, weil die Hypothek des I nur irrtümlich gelöscht war, die zweite 
Stelle ein. 2. War die Hypothek des II eine Buchhypothek, so ist ihre Üübertragung auf 
L#erst mit der Umschreibung im Grundbuch am 2. Mai zustande gekommen, also zu einer 
Zeit, als die Hypothek des I bereits gelöscht war. Demnach muß die Löschung der Hypothek 
bes I gegenüber II a als rechtmäßig fingiert werden; die Hypothek des II a nimmt also, 
obschon die Hypothek des I nur irrtümlich gelöscht war, die erste Stelle ein. 
) Die Fiktion „gilt“ relativ, „wirkt“ aber absolut. 
a Die Fiktion „gilt“ relativ, nämlich nur zugunsten der Gegenpartei. 
Sie will also keineswegs besagen, daß, sobald die Verfügung oder Leistung 
vorgenommen, das Grundbuchblatt des Grundstücks, dem die Verfügung oder 
Leistung gilt, seinem ganzen Inhalt nach gegenüber jedermann für richtig er- 
klärt werde. Vielmehr geht sie nur gerade so weit, als es zugunsten der Gegen- 
partei erforderlich ist. Demnach braucht die Gegenpartei die Fiktion nicht 
gelten zu lassen, wenn bei einem Widerspruch des materiellen Rechts und des 
Grundbuchs ersteres günstiger für sie ist als letzteres; Dritte aber, die bei der 
Verfügung oder Leistung nicht als Parteien beteiligt waren, haben an der 
Fiktion überhaupt keinen Anteil. 
Beispiele. I. In dem zweiten oben S. 40 b genannten Fall gilt die Fiktion, die aus 
Anlaß der Abtretungserklärung des II Platz greift, nur so weit, als II a dadurch begünstigt 
wird. Demnach kann III der Wiedereintragung der irrtümlich gelöschten Hypothek des I 
überhaupt nicht widersprechen; und auch II#muß sie sich wenigstens dann gefallen lassen, 
wenn die Hypothek des 1 bei der Wiedereintragung den Rang hinter seiner eignen Hypothek 
erhält. Ergebnis: die Hypothek des 1 wird bei der Wiedereintragung zwischen die Hypothek 
des IIaund des III eingeschoben. II. Derselbe Fall; nur enthielt das Grundbuch von 
Ossendorf noch eine zweite Unrichtigkeit: es stand dort mit dem Vorrange vor den drei 
Hypotheken eine Dienstbarkeit für den A. eingetragen, die in Wirklichkeit nicht zu Recht 
bestand. Hier hat die Fiktion für diese Dienstbarkeit keine Geltung. Denn wollte man 
die Dienstbarkeit dem materiellen Recht zuwider als gültig behandeln, so würde IIada- 
durch nicht begünstigt, sondern umgekehrt benachteiligt werden. 
Schwierig ist folgender Fall: als Eigentümer des Guts Seedamm benennt das Grund- 
buch zunächst den A., sodann auf Grund einer zwischen A. und B. am 2. Mai vor- 
genommenen Auflassung den B.; für C., einen Gläubiger des A., ist am 1. Mai auf Grund 
eines gegen A. ergangenen vollstreckkaren Urteils im Wege der Zwangsvollstreckung eine 
Sicherungshypothek eingetragen worden; nachträglich stellt sich heraus, daß in Wahrheit 
bis zum 2. Mai nicht A., sondern D. Eigentümer von Seedamm gewesen ist. Hier ist 
nämlich sicher, daß die Fiktion der Unfehlbarkeit des Grundbuchs am 2., nicht aber am 
1. Mal Plag gegriffen hat; denn die rechtsgeschäftliche übereignung von Seedamm fällt in 
das Anwendungsgebiet der Fiktion, die Eintragung einer Hypothek im Wege der Zwangs- 
vollstreckung fällt nicht hinein 2; demnach hat zwar B. auf Grund der Auflassung des Schein- 
eigentümers A. am 2. Mai das Eigentum, nicht aber auch C. auf Grund des gegen den 
Scheineigentümer A. ergangenen Urteils am 1. Mai eine Hypothek an Seedamm erworben. 
Fraglich ist dagegen, ob nicht die Hypothek des C. am 2. Mai nachträglich gültig geworden 
ist. Der Wortlaut des Gesetzes spricht für die Verneinung der Frage: denn die Fiktion, 
die am 2. Mai in Geltung tritt, soll ja nur zugunsten B.s dienen; B. wird aber dadurch, 
daß die Hypothek des C. für gültig erklärt wird, nur geschädigt. Für die Bejahung der 
Frage spricht, daß es sehr unbillig wäre, wenn B. die auf das Eigentum des A. bezügliche 
3) N. 72 S. 271.
	        
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