Zusatz zu Abschnitt II. Kollisionsnormen des Eherechts. Haager Verträge. 621
sionsnormen des Eherechts auch die allgemeinen Normen des internationalen Privatrechts
in Kraft bleiben; in Betracht kommt hier namentlich der Satz, daß ausländisches Recht bei
uns unanwendbar ist, wenn es nach deutscher Auffassung gegen die guten Sitten ver-
stößt oder dem Zweck deutscher Gesetze widerstreitet, sowie die Rückverweisungsklausel (s. oben
Bd. 1 S. 40).
1. a) Für die Form der Eheschließung lauten die Kollisionsnormen wie folgt:
a) Wenn die Eheschließung in Deutschland vor sich geht, ist ohne Rücksicht auf die
Staatszugehörigkeit und den Wohnsitz der Verlobten ausschließlich das Recht des Eheschließungs-
orts, also deutsches Recht, maßgebend (EG. 13 III). — Beispiel. Ein österreichisches Braut-
paar katholischer Konfession, das in Mähren wohnhaft ist, sich aber zeitweilig zur Feldarbeit
in preußisch Schlesien aufhält, geht in Preußen eine Ehe entweder vor dem Standesbeamten
des Orts oder vor dem katholischen Ortspfarrer und zwei Zeugen ein. Hier ist die rechte
Form im ersten Fall beobachtet, im zweiten nicht; denn die erste Form ist zwar vom öster-
reichischen Recht verworfen, aber vom deutschen Recht anerkannt, während für die zweite das
Gegenteil gilt.
5) Wenn die Eheschließung außerhalb Deutschlands vor sich geht, aber dem haager
Vertrage unterliegt, ist nebeneinander das Recht des Eheschließungsorts und das Heimats-
recht beider Verlobten maßgebend: die Eheschließung ist gültig, sofern sie den Formvorschriften
des einen oder des andern Rechts genügt (Eheschl V. 5, 7; EEG. 11 1). — Beispiel. Ein
Schwede geht mit einer Russin die Ehe in Belgien ein. Hier wird die Eheschließung in
Deutschland als gültig angesehn, wenn sie entweder den belgischen oder sowohl den schwedischen
wie den russischen Formvorschriften genügt.
7) Wenn die Eheschließung außerhalb Deutschlands vor sich geht, ohne dem haager
Vertrage zu unterliegen, ist in derselben Art wie zu §# nebeneinander das Recht des Ehe-
schließungsorts und das Heimatsrecht des Bräutigams maßgebend, während das Heimatsrecht
der Braut außer Betracht bleibt. — Beispiel. Ein Schwede geht mit einer Russin die Ehe
in Österreich ein. Hier wird die Eheschließung in Deutschland als gültig angesehn, wenn
entweder den österreichischen oder den schwedischen Formvorschriften genügt ist; die Erfüllung
der russischen Formvorschriften neben den schwedischen ist nicht erforderlich.
b) Die Regeln zu a erleiden eine Ausnahme, wenn die Eheschließung in einem aus-
ländischen Staat vor einem dort bestellten deutschen Gesandten oder Konsul vorgenommen
wird, dieser Gesandte oder Konsul vom Reichskanzler die Ermächtigung zur Entgegennahme
von Eheschließungen erhalten hat und wenigstens einer der Verlobten deutscher Staats-
angehöriger oder sogenannter deutscher Schutzgenosse ist: in diesem Fall soll nämlich die
Form der Eheschließung nicht nach dem Recht des Eheschließungsorts, sondern nach besondern
gerade für eine solche „diplomatische“ Eheschließung erlassenen deutschen Rechtsnormen
beurteilt werden (RGes. v. 4. Mai 1870, Personenstandsges. v. 6. Febr. 1875 § 85 II, EG. 40).
Eine analoge Ausnahme gilt, soweit der haager Vertrag anwendbar, auch für Eheschließungen
vor den Gesandten oder Konsuln der andern haager Vertragsstaaten, falls keiner der Ver-
lobten dem Staat angehört, in dem die Eheschließung vorgenommen wird und dieser Staat
auch keinen Widerspruch gegen die Eheschließung erhebt (Eheschl Vertr. 6); ähnliche Regeln
finden sich aber auch in andern internationalen Verträgen, z. B. dem deutsch-japanischen
von 1896 Art. XI. — Beispiel. Ein Deutscher heiratet eine Deutsche in Marseille vor dem
dortigen deutschen, ein Deutscher heiratet eine Französin in Antwerpen vor dem dortigen
deutschen oder französischen, ein Franzose heiratet eine Holländerin in Amsterdam vor dem
dortigen französischen Konsul; hier ist auf die Eheschließung in Marseille deutsches, auf
die in Antwerpen je nach der Person des angerufenen Konsuls deutsches oder französisches,
auf die in Amsterdam holländisches Recht anwendbar, so daß die erste und zweite Ehe mut-
maßlich gültig sein wird, die dritte sicher ungültig ist.
c) Wird bei Eingehung einer Ehe eine Formvorschrift des zuständigen Rechts verletzt,
so ist nach eben diesem Recht auch die Frage zu entscheiden, welche Wirkung einer solchen
sormwidrig geschlossenen Ehe zukommt. Beispiel: eine in Wien zwischen katholischen Oster-
reichern ohne Zuziehung von zwei Zeugen eingegangene Ehe gilt in Deutschland gemäß
österreichischem Recht als nichtig, obschon das Fortbleiben der Zeugen nach deutschem Recht