§ 352. Fortgesetzte Gütergemeinschaft. Umfang des Gesamtguts. 665
Anteil einrücken oder der Anteil den überlebenden Geschwistern oder dem Vater anwächst,
ist dieser Vorgang nicht als Vererbung des Anteils aufzufassen (1490 Satz 1).
4. a) Eine Verkürzung erfährt das Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft,
wenn die Mutter außer den gemeinsamen Kindern noch einseitige und deshalb von der Teil-
nahme an der Gütergemeinschaft ausgeschlossene Kinder (Enkel, Urenkel usw.) hinterläßt.
Denn diese sollen selbstverständlich dadurch, daß ihr Stiefvater mit den Stiefgeschwistern die
Gütergemeinschaft fortsetzt, im Erbrecht gegenüber der Mutter nicht geschädigt werden. Des-
halb ist der Satz, daß der mütterliche Anteil am ehelichen Gesamtgut unvererblich ist, ihnen
gegenüber unwirksam. Ihr Erbrecht ergreift diesen Anteil demnach in gleicher Art wie das
getrennte Vermögen der Mutter, geradeso, als ob die fortgesetzte Gütergemeinschaft nicht
eingetreten wäre. Die Folge ist, daß nicht das ganze eheliche Gesamtgut, sondern nur der
Rest, der nach Abzweigung dieses Erbteils übrig bleibt, auf die fortgesetzte Gütergemeinschaft
übergeht (1483 II). — Unter dem „Erbteil“ der einseitigen Kinder der Mutter ist übrigens
nicht bloß ihr „gesetzlicher“ Erbteil zu verstehn, sondern auch ihr testamentarischer: die
Mutter kann also testamentarisch den gesetzlichen Erbteil ihrer einseitigen Kinder erhöhn,
vermindern, ausschließen, vorausgesetzt, daß sie dazu befugt wäre, wenn die f. G. nicht
eintreten würde. Nur eins kann sie nicht: sie ist nicht befugt, irgendeinen Teil des ehe-
lichen Gesamtguts den einseitigen Kindern zu entziehn und dritten Personen zuzuwenden;
denn das eheliche Gesamtgut gehört, soweit es nicht einem einseitigen Kinde zufällt, kraft
Gesetzes zur Gütergemeinschaft (s. 1483 II).1 — Beispiele. I. Die Ehefrau des A. hat
aus erster Ehe einen Sohn B., aus zweiter Ehe einen Sohn C.; nach ihrem Tode setzt
A. als ihr Witwer die Gütergemeinschaft mit C. fort; das eheliche Gesamtgut beträgt
64000 Mk.; getrenntes Vermögen der Eheleute ist nicht vorhanden. Hier nimmt B. in
Ermanglung eines Testamenis der Mutter als sein gesetzliches Erbteil 58 von der mütter-
lichen Hälfte des ehelichen Gesamtguts. Das Gesamtgut der Gütergemeinschaft beträgt
also 64000 — 12000 = 52000 Mk. II. Gleicher Fall; nur hat Frau A. ein Testament
hinterlassen, in dem sie den B. zu ihrem alleinigen Erben einsetzt. Hier nimmt B. die volle
mütterliche Hälfte des ehelichen Gesamtguts, muß aber 5/16 dieser Hälfte als Pflichtteil des
Stiefvaters A. und des Stiefbruders C. wieder herausgeben; das Gesamtgut der Güter-
gemeinschaft besteht demgemäß aus diesen 3/16 der mütterlichen und aus der ganzen väter-
lichen Hälfte des ehelichen Gesamtguts = 42000 Mk. III. Gleicher Fall wie zu I.; nur
hat Frau A. den Erbteil des B. auf ¼ herabgesetzt und das ihm entzogene ½ ihrer Schwester
D. zugewendet. Hier nimmt B. ¼ der müttierlichen Hälfte des Gesamtguts = 8000 Mk.;
dagegen ist die Zuwendung an die D. ungültig; das Gesamtgut der Gütergemeinschaft be-
trägt also 56000 Mk.
b) Eine Verkürzung erfährt das Gesamtgut auch dann, wenn die Muttier gemeinsame
Kinder (Enkel, Urenkel usw.) durch letztwillige Verfügung von der Teilnahme an der Güter-
gemeinschaft ausgeschlossen hat; diesen Kindern ist nämlich aus dem Gesamtgut der fort-
gesetzten Gütergemeinschaft als Abfindung der Betrag auszuzahlen, der ihnen, wenn die fort-
gesetzte Gütergemeinschaft nicht eingetreten wäre, von dem ehelichen Gesamtgut als Pflichtteil
gebühren würde. Beispiel: man nehme an, daß in den zu a behandelten Fällen B. ein rechter
Bruder des C. sei, aber infolge letztwilliger Verfügung seiner Mutter nicht an der Gütergemein-
schaft teilnehme; alsdann empfängt B. als Pflichtteil 310 der mütterlichen Hälfte des ehe-
lichen Gesamtguts = 6000 Mk., so daß das Gesamtgut der f. GG. 58000 Mk. ausmacht.
Te) Keine Abfindung ist zu zahlen, wenn eines der gemeinschaftlichen Kinder auf seinen
Eintritt in die fortgesetzte Gütergemeinschaft freiwillig verzichtet oder nachträglich aus der
Gütergemeinschaft ausscheidet: indem ein Kind sich von der Gemeinschaft freiwillig fernhält,
gibt es — anders als der die Gemeinschaft zurückweisende Vater — seinen Anteil am Gemein-
schaftsvermögen ersatzlos preis. Ob und inwieweit eine gegenteilige Vereinbarung wirksam
ist, sei hier dahingestellt (s. 1518).
5. Entsteht Streit über die Abgrenzung des Gesamtguts und des getrennten väter-
1) A. Schmidt S. 468. Abw. Planck-Unzner Anm. III 2 a, d, Staudinger-Engelmann
Anm. 3dd zu 1483.