§ 355. Fortsetz. d. Gütergemeinsch. zwisch. Kind u. Mutter. § 356. Bisheriges Recht. 675
aber vorher gezeugt waren, nicht als ehelich; bei Kindern, die während der
Ehe gezeugt waren, sprach zwar die Vermutung für die Ehelichkeit: die Ver-
mutung konnte aber nicht bloß vom Ehemann, sondern auch von dem Kinde
und der Mutter widerlegt werden.: Dagegen stimmte das preußische Landrecht
in allen diesen Punkten mit dem bürgerlichen Gesetzbuch überein.? Das bis-
herige gemeine und das rheinische Recht war zweifelhaft.3
II. 1. In Ansehung der Entstehung und Endigung der elterlichen Ge-
walt wich das bisherige gemeine, preußische und sächsische Recht von den Re-
geln des bürgerlichen Gesetzbuchs grundsätzlich ab. Dem Vater wurde nämlich
die elterliche Gewalt über seine ehelichen Söhne und Töchter nicht nur während
ihrer Minderjährigkeit, sondern — dem altdeutschen Recht folgend — so lange
zugesprochen, bis die Söhne einen selbständigen Haushalt gründeten oder die
Döchter sich verheirateten; die Mutter mußte dagegen der elterlichen Gewalt auch
über ihre minderjährigen Kinder darben, selbst wenn der Vater gestorben war.“
2. Dagegen stand das französische Recht den Regeln des bürgerlichen
Gesetzbuchs nahe 5, es billigte die elterliche Gewalt nicht bloß dem Vater, sondern
auch der Mutter zu und ließ sie mit der Volljährigkeit der Kinder enden.
III. Das bisherige Personenrecht der Kinder war sehr lückenhaft geregelt,
so daß sich Unterschiede zwischen ihm und dem Recht des bürgerlichen Gesetz-
buchs schwer feststellen lassen. Erwähnt sei, daß nach preußischem Recht im
Fall der Ehescheidung ohne Rücksicht darauf, ob der Vater oder die Mutter
der schuldige Teil war, Söhne und Töchter unter vier Jahren der mütter-
lichen, Söhne über vier Jahre der väterlichen Fürsorge überwiesen wurden.“
IV. 1. In Ansehung des Güterrechts der Kinder unterschied sich das
bisherige preußische Recht von dem neuesten Reichsrecht wie folgt.7
a) Die Verwaltungsgemeinschaft der Kinder mit dem Vater dauerte über
ihre Volljährigkeit hinaus, bei Söhnen bis zur Gründung eines selbständigen
Haushalts, bei Töchtern bis zur Verheiratung.
Der Vater hatte bei der Verwaltung des Hausguts der Kinder die größten Frei-
heiten: insbesondre war er befugt, das Geld der Kinder nach seinem Ermessen auch in
nicht mündelsicherer Art anzulegen; nur über Grundstücke und über solche Kapitalien, die
den Kindern zur Sicherheit besonders verschrieben waren, konnte er für sich allein nicht ver-
sügen, sondern bedurfte dazu der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder der Kinder.
Während der Dauer der Verwaltungsgemeinschaft waren die Kinder beschränkt geschäfts-
fähig, auch nachdem sie volljährig geworden waren: ein Rechtsgeschäst, das sie ohne Zu-
stimmung des Vaters vorgenommen hatten, war gerade so unwirksam wie das eines Minder-
jährigen, es sei denn, daß es das Freigut der Kinder betraf.
1) Sächs. GB. 1771 (1776), 1778.
2) Pr. LR. II, 2 88 1, 19, 16.
3) St. Lehmann 4 § 313.
4) Roth 2 88 169, 170; pr. LN. II, 2 88 62, 210, 228; sächs. G. 1808, 1832, 1833.
5) C. c. 372, 373, 384, 389, 390.
6) Pr. W. II, 2 88 93 f.
7) Pr. M. II, 2 88 210, 228, 168 ff., 125, 202, 165, 366; Roth 2 § 1118.