700 Buch VII. Abschnitt 7. Das Vormundschaftsrecht.
Witwe, die zur zweiten Ehe schreitet, mit Zustimmung ihres Ehemanns sehr
oft die Vormundschaft über ihre Kinder erster Ehe erhalten.
6. a) Jeder Reichsangehörige, der vom Vormundschaftsgericht für eine
Vormundschaft ausgewählt wird, ist zur übernahme der Vormundschaft ver-
pflichtet, es sei denn, daß ihm einer der eben (zu 3, 4) besprochenen Aus-
schließungsgründe entgegensteht: die Führung der Vormundschaften ist Bürger-
pflicht gerade wie der Militär= und Geschworenendienst. Doch gibt es Fälle,
in denen der erwählte Vormund die Vormundschaft ablehnen kann. Ein Ab-
lehnungsrecht haben insbesondre (1786 I, RMMilGes. v. 1874 § 41):
a) alle Frauen, ohne Rücksicht darauf, ob sie verheiratet oder unverheiratet
sind und ob der Mündel ihr eignes oder ein fremdes Kind ist;
8) wer das 60. Lebensjahr vollendet hat;
7) wer mehr als vier minderjährige eheliche Kinder hat;
0) wer durch Krankheit oder durch Gebrechen verhindert ist, die Vormund-
schaft ordnungsmäßig zu führen;
Ne) wem wegen Entfernung seines Wohnsitzes vom Sitz des Vormund-
schaftsgerichts die Führung der Vormundschaft besonders lästig fallen würde;
5) wer vom Vormundschaftsgericht zur Stellung einer Sicherheit ange-
halten wird; «
m wer bereits mehr als eine Vormundschaft führt;
9 die Militärpersonen des Friedensstandes sowie die Zivilpersonen der
Militärverwaltung.
b) Wer eine Vormundschaft ablehnen will, muß dies dem Vormundschafts-
gericht erkären, bevor er als Vormund verpflichtet ist; versäumt er dies, so
erlischt sein Ablehnungsrecht (1786 II, 1787 II; R. FG. 60 Nr. 2).
) Wenn jemand die Übernahme einer Vormundschaft ohne zureichenden
Grund verzögert oder ablehnt, droht ihm ein zwiefacher Rechtsnachteil: erstlich
kann er vom Vormundschaftsgericht dreimal in eine Ordnungsstrafe bis zu
300 Mk. genommen werden; zweitens ist er, wenn ihm ein Verschulden zur
Last fällt, für allen Schaden verantwortlich, den der Mündel durch die Ver-
zögerung erleidet (1788, 1787 1, R. FG. 20, 24 D.
7. Erklärt der erwählte Vormund sich zur Übernahme der Vormundschaft
bereit, so ist er ausdrücklich als Vormund zu „bbestellen." Dies geschieht da-
durch, daß das Vormundschaftsgericht ihn zu treuer und gewissenhafter Führung.
der Vormundschaft verpflichtet; die Verpflichtung soll mittels Handschlages an
Eides Statt geschehn (1789).
III. Die Vormundschaft endigt, wenn die Voraussetzungen fortfallen, um
deren willen sie angeordnet ist (1882), also wenn der Mündel volljährig wird
oder stirbt, wenn er durch Legitimation oder Adoption nachträglich unter elter-
liche Gewalt tritt usw.
In allen diesen Fällen endigt die Vormundschaft kraft Gesetzes. Nur bei der Le-
gitimation durch nachfolgende Ehe gilt eine Ausnahme: die Vormundschaft über das