§ 366. Familienrat. Gemeindewaisenrat. 707
geschäfts in des Mündels Namen betrifft, entscheidet; doch ist vorausgesetzt, zu II, daß der
Mündel das 14., zu III, daß er das 18. Lebensjahr vollendet hat, während zu 1 auf das
Lebensalter des Mündels nichts ankommt; zu I1 und II soll der Mündel unbedingt, zu III
soll er nur, wenn tunlich, gehört werden (1827).
c) Die Anhörung von Verwandten und Verschwägerten des Mündels soll auf Antrag
des Vormundes oder Gegenvormundes erfolgen, bevor das Gericht irgendeine Entscheidung
fällt, sofern es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnismäßige Kosten geschehn
kann; in wichtigen Angelegenheiten soll die Anhörung auch ohne Antrag geschehn (1847).
4. Das Vormundschaftsgericht kann den Vormund und den Gegenvormund
zur Befolgung seiner Anordnungen durch Ordnungsstrafen anhalten; die ein-
zelne Strafe darf den Betrag von 300 Mark nicht übersteigen; die Strafe
kann beliebig oft verhängt werden (1837 II; R. FG. 24 1, 33).
5. Der Vormundschaftsrichter ist zu gehöriger Anwendung der ihm an-
vertrauten obervormundschaftlichen Gewalt nicht bloß dem Staat, sondern auch
dem Mündel verpflichtet; deshalb haftet, wenn er seine Amtspflichten vorsätz-
lich oder fahrlässig verletzt, er selbst oder der Staat dem Mündel nach den
für Amtsdelikte maßgebenden Regeln auf Schadensersatz (1848).
6. Als Hülfsorgan steht dem Vormundschaftsgericht der Gemeinde-
waisenrat zur Seite.
a) Die Zusammensetzung des Gemeindewaisenrats wird durch das Landes-
recht bestimmt. In Preußen werden seine Mitglieder in gleicher Art wie un-
besoldete Gemeindebeamte bestellt; doch ist die Gemeindebehörde berechtigt, die
Verrichtungen des Waisenrats einem schon bestehenden Organ der Gemeinde-
verwaltung — etwa dem Gemeindevorsteher — zu übertragen; in selbständigen
Gutsbezirken wird der Gemeindewaisenrat vom Gutsvorsteher ernannt (pr.
AusfGes. 77 § 1).
Die Gemeindebehörde und der Gutsvorsteher kann dem Gemeindewaisenrat Waisen-
pflegerinnen zuordnen, die bei der Uberwachung der Mädchen sowie der im Kindesalter
stehenden Knaben mitzuwirken haben (pr. AussGes. 77 §. 2).
b) Der Gemeindewaisenrat hat dem Vormundschaftsgericht von jedem Fall
Anzeige zu machen, in dem eine Vormundschaft anzuordnen ist (1849, R. FG. 49).
Er hat ferner die Personen vorzuschlagen, die sich im einzelnen Fall zum Vor-
munde, Gegenvormunde oder Mitgliede eines Familienrats eignen (1849). Er
hat endlich das Vormundschaftsgericht bei der Überwachung des Vormundes
und Gegenvormundes zu unterstützen und, sobald er eine Vernachlässigung der
Person des Mündels oder eine Gefährdung des Mündelvermögens wahrnimmt,
das Gericht zu benachrichtigen (1850). Eine Unterordnung der Vormünder
unter die Gemeindewaisenräte besteht nicht; die Gemeindewaisenräte sind also
nicht befugt, den Vormündern irgendwelche Befehle zu geben oder ihnen Rügen
zu erteilen.
3) Fuhrmann, Geschäftsführung des Gemeindewaisenrats (99).