708 Buch VII. Abschnitt 7. Das Vormundschaftsrecht.
4. Bas Personenrecht des Mündels.
§ 367.
Das Personenrecht des Mündels ist in vielen Beziehungen ebenso geregelt
wie das eines unter elterlicher Gewalt stehenden Kindes (1800). Insbesondre
hat der Vormund die Sorge für die Person des Mündels zu tragen;
er ist also berechtigt und verpflichtet, den Mündel zu erziehn, er kann an-
gemessene Züchtigungsmittel gegen ihn anwenden usw. Ingleichen hat der
Vormund die Befugnis, den Mündel in dessen persönlichen Angelegenheiten zu
vertreten, insbesondre in seinem Namen Strafanträge zu stellen. Doch gelten
im einzelnen eine Reihe wichtiger Unterschiede.
I. Der Vormund hat in manchen Fällen dem Vater oder der Mutter oder
beiden Eltern des Mündels einen Anteil an der Sorge für dessen Person zu
gönnen; in andern Fällen hat er der Mutter des Mündels die Sorge gänzlich
zu überlassen und sich auf eine Beaufsichtigung des mütterlichen Verhaltens
zu beschränken. Die einzelnen hierher gehörigen Fälle sind bereits früher be-
sprochen (s. oben S. 636, 3; 680 II, 3).
II. Gehört der Vormund nicht dem Bekenntnis an, in dem der Mündel
zu erziehn ist, so kann ihm die Sorge für dessen religiöse Erziehung vom
Vormundschaftsgericht entzogen werden (1801).
III. Steht die Sorge für die Person des Kindes dem Vormunde allein,
ohne Mitwirkung der Eltern, zu, so kann das Vormundschaftsgericht zwecks
Erziehung des Mündels dessen Unterbringung in einer geeigneten Familie oder
in einer Erziehungs= oder Besserungsanstalt nach freiem Ermessen anordnen,
auch wenn die Voraussetzungen, unter denen eine derartige Anordnung gegen-
über den Eltern des Kindes zulässig ist, nicht erfüllt sind (1838; s. oben S. 637, 4).
Beispiel. Der sozialistische Agitator A. ist zufolge letztwilliger Benennung seines Partei-
genossen B. als Vormund der Kinder des B. bestellt und erzieht sie in seiner Familie. Hier
ist das Gericht befugt, nach freiem Ermessen die Kinder in einer „geeigneteren“ Familie
unterzubringen, auch wenn A. seine Erzieherpflichten auf das gewissenhafteste erfüllt und
ein „völliger sittlicher Verderb“ der Kinder durchaus nicht zu besorgen ist.
IV. Der Vormund kann ein Lehr-, Dienst= oder Arbeitsverhältnis für
den Mündel, das länger als ein Jahr dauern soll, nur mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts begründen (1822 Nr. 6, 7).
V. Verweigert der Vormund die Genehmigung dazu, daß der Mündel
in Dienst oder Arbeit tritt oder heiratet, so kann die Genehmigung auf An-
trag des Mündels vom Vormundschaftsgericht ersetzt werden (113 III, 1304 U).
VI. Zu Diensten irgendwelcher Art ist der Mündel dem Vormunde nicht
verpflichtet: wenn der Vormund den Mündel zur Arbeit anhält, darf er dabei
nicht an seinen eignen Vorteil, sondern nur an das Interesse des Mündels denken.