§ 371. Pflegschaft über Gebrechliche, Verschollene, Ungeborene, Unbekannte. 717
Vermögen des Pfleglings angeordnet werden, jedoch nur wegen körperlicher,
nicht auch wegen geistiger Gebrechen des Pfleglings (1910 I, II). Bei der
Bestellung des Pflegers ist der Umfang seiner Pflegschaft anzugeben.
JP) Die Pflegschaft schränkt die Geschäftsfähigkeit des Pfleglings in keiner
Weise ein. Der Pflegling behält also die Rechtsmacht, persönlich über seine
Angelegenheiten zu verfügen, neben dem Pfleger.
Beispiel. A. ist infolge seines hohen Alters kindisch geworden und obendrein taub und
fast blind; seine Kinder erwirken deshalb für ihn, um ihm eine eigentliche Entmündigung
wegen Geistesschwäche zu ersparen, die Anordnung einer allgemeinen Pflegschaft. Hier be-
steht die Gefahr, daß A. die wohlüberlegten Anordnungen seines Pflegers durchkreuzt und
z. B. die vom Pfleger für ihn gemietete Wohnung aus reinem Eigensinn kündigt.
4. a) Ein volljähriger Verschollener erhält einen Abwesenheitspfleger,
wenn seine Vermögensangelegenheiten einer Fürsorge bedürfen; hat der Ver-
schollene für seine Angelegenheiten durch Erteilung eines Auftrages oder einer
Vollmacht selber Fürsorge getroffen, so ist die Pflegschaft nur anzuordnen,
wenn Auftrag oder Vollmacht unzureichend sind oder wenn ein Anlaß vorliegt,
sie zu widerrufen; ebenso kann auch ein Abwesender, dessen Aufenthalt bekannt
ist, einen Pfleger erhalten, falls er an der Rückkehr und der Besorgung seiner
Vermögensangelegenheiten behindert ist (1911; s. auch R. FG. 88).
b) Die Abwesenheitspflegschaft erstreckt sich auf die gesamten Vermögens-
angelegenheiten des Pfleglings, „soweit sie der Fürsorge bedürfen". Dagegen
hat sie mit rein persönlichen Angelegenheiten des Pfleglings nichts zu tun.
I%) Die persönliche Geschäftsfähigkeit des Abwesenden wird durch die Pfleg-
schaft nicht beschränkt.
Beispiele. I. Der Fabrikbesitzer A. hat vor Beginn einer großen Reise seiner Ehefrau
Generalvollmacht für alle privaten, seinem Fabrikdirektor B. Generalvollmacht für alle ge-
werblichen Angelegenheiten erteilt; nun ist er verschollen, und seine Ehefrau läßt sich von ihm
scheiden. Hier darf sich der dem A. bestellte Abwesenheitspfleger C., indem er die Vollmacht
der geschiedenen Ehefrau widerruft, um das Privatvermögen A.3 kümmern, darf sich da-
gegen in den Fabrikbetrieb nicht mischen, solange B. keinen Anlaß zum Widerruf der ihm
erteilten Vollmacht gibt. II. A. kehrt aus der Verschollenheit zurück; es stellt sich heraus,
daß er unterwegs eine ihm gehörige Sache an den D. verkauft hat, die vorher der Pfleger
an den E. veräußert hatte. Hier sind beide Verkäufe gültig gerade so, als ob sie beide von
A. persönlich abgeschlossen wären.
5. Ein bereits gezeugtes, aber noch nicht geborenes Kind, das, wenn es
bereits geboren wäre, unter Vormundschaft oder Pflegschaft gestellt werden
müßte, erhält einen Pfleger, wenn seine künftigen Rechte schon jetzt einer Für-
sorge bedürfen; die Pflegschaft erstreckt sich nur soweit, als die Wahrung der
künftigen Rechte des Kindes es erfordert (1912).3
6. Ist es unbekannt oder ungewiß, wer bei irgendeiner Angelegenheit
der Beteiligte ist, so erhält der ungewisse oder unbekannte Beteiligte einen
Pfleger, wenn er der Fürsorge bedarf; auch hier erstreckt sich die Pflegschaft
nur soweit, als ihr Zweck es nötig macht (1913).
3) A. Schultze, Jahrb. f. Dogm. 43 S. 58.