§ 377. Testierfähigkeit. § 378. Simulation, Irrtum des Testators. 729
3. Willensmängel des Erblassers bei Errichtung letztwilliger Berfügungen.
g 378.
I. 1. Letztwillige Verfügungen sind ungültig, soweit der Erblasser sie
nicht im Ernst errichtet hat, vorausgesetzt, daß er sich der Erwartung hin-
gab, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden (118).
Beispiel. A. verfaßt ein scherzhaftes Privattestament, in dem er seine Wirtschafterin
B. zur Erbin einsetzt, und läßt das Schriftstück absichtlich auf seinem Schreibtisch liegen,
auf daß die neugierige B. es lese und für Ernst halte; später gedenkt er, die B. über seinen
Scherz aufzuklären und das Testament zu vernichten; der Plan kommt aber nur halb zur
Ausführung: A. wird durch plötzlichen Tod an der Aufklärung der B. und an der Ver-
nichtung des Schriftstücks gehindert. Hier ist das Testament ungültig; denn A. hat ja an-
genommen, daß in dem entscheidenden Zeitpunkt, nämlich bei seinem Tode, die Scherz-
haftigkeit des Testaments nicht verkannt werden werde.
Außer Betracht bleiben bei letztwilligen Verfügungen die Regeln von 116, 117, da sie
nur für empfangsbedürftige Erklärungen gelten.
2. Letztwillige Verfügungen sind ungültig, soweit der Erblasser bei ihrer
Errichtung in einem Irrtum befangen gewesen ist, vorausgesetzt, daß der
Irrtum erheblich war, d. h. daß der Erblasser nachweislich gerade durch den
Irrtum zu der Verfügung bestimmt worden ist? (2078).
a) Der Irrtum muß kein „Geschäftsirrtum“, sondern kann auch ein
„Irrtum in den Beweggründen" sein.3 Danmit ist die Anfechtung letztwilliger
Verfügungen im Vergleich zur Anfechtung von Rechtsgeschäften unter Lebenden
ungemein erleichtert.
b) Der Irrtum braucht sich nicht auf Umstände zu beziehn, die bei ver-
ständiger Würdigung des Falls erheblich sind. Vielmehr genügt auch ein Irr-
tum über Umstände, die nur für die subjektive, vielleicht sehr törichte Denkweise
des Erblassers erheblich waren.
c) Der Irrtum braucht sich nicht auf Vergangenheit oder Gegenwart zu
beziehn. Vielmehr genügt auch die irrige Erwartung des Eintritts oder Nicht-
eintritts irgend eines Umstandes in der Zukunft (2078 1.).
4 Belanglos ist auch der Grund des Irrtums: ein Irrtum, der der
eignen Phantasie des Erblassers entspringt, wird gerade ebenso behandelt wie
ein Irrtum, der durch die arglistige Täuschung eines andern hervorgerufen ist.
Beispiele. I. Ungültige Erbeseinsetzungen liegen in folgenden Fällen vor. 1. A. macht
zwei Entwürfe für ein gerichtliches Testament: in dem einen beruft er den B., in dem
andern den C. als Erben; schließlich entscheidet er sich für den ersten Entwurf; dann ver-
wechselt er aber beide Schriftstücke und übergibt dem Richter den zweiten Entwurf. 2. D.
will seinen Nachlaß seinen fünf Söhnen als gesetzlichen Erben hinterlassen, jedoch die Erb-
schaftsteilung dem ältesten Sohn E. übertragen; er befragt deshalb einen Rechtsanwalt,
1) Strohal, Anfechtung letztw. Verfügungen (92); Krug, Willensdogma bei eins. letztw.
Verfügungen (08).
2) RG. 69 S. 33, 70 S. 391. 3) Strohal, Erbrecht 1 S. 299.