8 388. Erbverträge. 747
einer durch Erbvertrag getroffenen Verfügung dem Erblasser nur in Ausnahme-
fällen gestattet. Von dem Hauptfall kann erst später, im Zusammenhange des
Pflichtteilsrechts, gehandelt werden (s. unten § 447). Ein andrer hierher-
gehöriger Fall ist der, daß der Erblasser durch eine besondre Klausel in dem
Erbvertrage sich ein Rücktrittsrecht vorbehalten hat.
Beispiel. A. hat durch einen mit seiner Frau B. abgeschlossenen Erbvertrag deren
Schwester C. eine Rente ausgesetzt, sich aber das Widerrufsrecht für den Fall vorbehalten, daß
die C. heiratet. Hier braucht A., wenn dieser Fall eintritt, zum Widerruf des Vermächt-
nisses der Zustimmung der B. nicht.
Ein weiterer Fall, in dem der Erblasser von einer Vertragsverfügung einseitig zurück-
treten kann, liegt vor, wenn sie mit Rücksicht darauf getroffen ist, daß der Bedachte kraft
Rechtsgeschäfts dem Erblasser für dessen Lebenszeit Unterhalt zu gewähren oder sonstige
wiederkehrende Leistungen zu entrichten hat, und diese Verpflichtung vor dem Tode des Erb-
lassers ausgehoben wird (2295). Beispiel: A. läßt sich von seinem Vetter B. den Bau eines
Wohnhauses, von seinem Vetter C. lebenslänglichen Unterhalt versprechen und setzt als
Gegenleistung den B. und den C. durch Erbvertrag zu seinen Erben ein; sowohl B. wie C.
ersüllen aber ihre Verpflichtungen so schlecht, daß A. seinen Rücktritt von dem Bau= und
dem Unterhaltsvertrage erklärt; hier ist A. befugt, auch von dem Erbvertrage gegenüber C.
zurückzutreten; dagegen fehlt ihm ein Rücktrittsrecht gegenüber B.: demgemäß muß er ihm
gegenüber den Erbvertrag wegen irriger Erwartung ansechten (2281, 2078, II) oder ihn zum
Verzicht auf sein Erbrecht (2352, 812) nötigen!
Der einseitige Rücktritt geschieht durch eine gerichtlich oder notariell beurkundete Er-
klärung gegenüber der Gegenpartei, solange diese lebt: eben dadurch ist ein Erbvertrag, von
dem der Erblasser frei zurücktreten kann, von einem Testament, das er frei widerrufen kann,
deutlich unterschieden: nach dem Tode der Gegenpartei erfolgt der Rücktritt durch Testament
(s. 2296 II, 2297, 2298 11).
VIII. Sind bei einem Erbvertrage beide Parteien als Erblasser beteiligt,
so sind die beiderseitigen Verfügungen im Zweifel als „korrespektive“ zu ver-
stehn (2298). Das will besagen: erstens ist, wenn auch nur eine einzige Ver-
fügung eines der Erblasser nichtig ist, der ganze Erbvertrag mit Einschluß
der Verfügungen des andern Erblassers unwirksam; zweitens ist, wenn einer
der Erblasser kraft eines in dem Vertrage gemachten Vorbehalts zurücktritt,
der Vertrag auch für den andern Erblasser aufgehoben; drittens kann nach
dem Tode des erstverstorbenen Erblassers der überlebende das etwa vorbe-
haltene Rücktrittsrecht nur dann ausüben, wenn er das ihm selber durch den
Vertrag Zugewendete ausschlägt.
Beispiele. I. Die Eheleute A. und B. haben folgenden Erbvertrag geschlossen: „Ein
jeder von uns beruft zu gleichen Teilen den überlebenden Gatten und unsern Sohn C. zum
Erben; der längstlebende von uns setzt dem D., E., F. und G. je 10000 Mk. als Ver-
mächtnis aus;" D. und E. sind die Brüder des A., F. und G. die der B.; nun sicht A.
das Vermächtnis an seinen Schwager F. wegen Irrtums an; gleich darauf stirbt Frau B.
Hier ist der ganze Erbvertrag unwirksam, so daß gesetzliche Erbfolge eintritt, A. zu ¼, C.
zu ¾ Erbe wird und beim Tode A.# weder seine Brüder noch seine Schwäger ein Ver-
mächtnis erhalten. Allerdings entspricht diese Entscheidung schwerlich dem Willen von A.
und B. Aber es ist nicht sicher, welche andre Entscheidung man treffen soll, weil mit dem
Ausfall des Vermächtnisses an F. zunächst die beiden Vermächtnisse an D. und E., mit
diesen aber auch das Vermächtnis an G. und damit endlich auch die bevorzugte gegenseitige
Erbeseinsetzung von A. und B. problematisch werden. Ist aber der Wille der beiden Erblasser
zweifelhaft, so bleibt eben nur die eine von uns gegebene Entscheidung übrig. II. Derselbe