Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

748 Buch VIII. Abschnitt 1. Allgemeine Grundsätze des Erbrechts. 
Fall wie zu 1; nur hat A. das Vermächtnis an seinen eignen Bruder D. angefochten. Hier 
wird, wenn Frau B. diesem Schwager nachweisbar gleichgültig gegenüberstand, der Erb- 
vertrag nur soweit hinfällig werden, als er angefochten ist. III. Derselbe Fall wie zu 1; 
nur ist das Vermächtnis an F. nicht durch Anfechtung, sondern dadurch hinfällig geworden, 
daß F. noch vor der B. gestorben ist. Hier bleibt der ganze Erbvertrag gleichfalls in Kraft, da 
die Regel zu VIII nur für die Nichtigkeit, nicht auch für die anderweitige Unwirksamkeit einer 
Vertragsversügung gilt. 
IX. Im übrigen kommen auf die Erbverträge die gleichen Vorschriften 
zur Anwendung wie auf letztwillige Verfügungen. Dies gilt namentlich von 
den drei Auslegungsregeln, die oben S. 727 VI für letztwillige Verfügungen auf- 
gestellt sind (2279, 2084—2086), ferner von den Regeln über die Eröffnung 
und Bekanntmachung letztwilliger Verfügungen nach dem Tode des Erblassers 
(#. 2300, 2259—2263, 2273) usw.“ 
X. Ob ein Erbvertrag, der als solcher ungültig ist, als letztwillige Ver- 
fügung des Erblassers aufrecht erhalten werden kann, ist nach der mutmaß- 
lichen Absicht des Erblassers zu entscheiden. Im Zweifel ist die Frage zu 
bejahn (s. 2279 I, 2084). 
Beispiel. Der Erbvertrag eines Zwanzigjährigen wird im Zweifel als Testament auf- 
recht erhalten. 
XI. Treffen mit einem Erbvertrage letztwillige Verfügungen des nämlichen 
Erblassers zusammen, so gelten folgende Regeln. 
1. Erster Fall: die letztwilligen Verfügungen sind vor Abschluß des Erb- 
vertrages errichtet. 
a) Derartige Verfügungen werden durch den Erbvertrag stillschweigend 
außer Krast gesetzt, soweit sie das Recht der in dem Vertrage bedachten Erben 
oder Vermächtnisnehmer beeinträchtigen (2289 1 Satz 1), ohne Rücksicht darauf, 
ob die Gegenpartei bei Abschluß des Erbvertrages die Verfügungen gekannt 
hat oder nicht. 
Beispiele. I. A. hat 1900 durch Testament den B. als Erben eingesetzt, ein Ver- 
mächtnis zugunsten des C. angeordnet und eine Auflage wegen eines ihm zu errichtenden 
Denkmals verfügt; 1902 setzt er durch Erbvertrag den D. zum Erben ein. Hier ist das 
ganze Testament von 1900 außer Kraft gesetzt; denn jede Bestimmung des Testaments 
würde, wenn sie in Geltung bliebe, den D. beeinträchtigen. II. Gleicher Fall; nur setzt der 
Erbvertrag den D. bloß als Erben auf die halbe Erbschaft ein. Hier bleibt das Testament 
von 1900 wegen der andern Hälfte der Erbschaft in Kraft. 
b) Wird der Erbvertrag nachträglich aufgehoben, so treten die durch ihn 
außer Kraft gesetzten älteren letztwilligen Verfügungen wieder in Geltung.“ 
2. Zweiter Fall: die letztwilligen Verfügungen sind zugleich mit dem Ab- 
schluß des Erbvertrages errichtet. Eine solche gleichzeitige Errichtung einer 
letztwilligen Verfügung und eines Erbvertrages durch den nämlichen Erblasser 
ist dadurch möglich, daß die letztwillige Verfügung formell mit dem Erbver- 
trage verbunden wird; diese Verbindung ist allgemein statthaft: sogar Ver- 
5) Siehe aber RG. 53 S. 390. 
6) Schiffner, Erbvertrag S. 136.
	        
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