754 Buch VIII. Abschnitt 1. Allgemeine Grundsätze des Erbrechts.
liches Recht hatte der Vater bezüglich seiner geisteskranken gewaltfreien Kinder.
Verwandte Regeln galten in Preußen.“
3. a) Das schriftliche zeugenlose Privattestament war bisher bloß im
französischen Rechtsgebiet allgemein anerkannt.“ Im Gebiet des preußischen
Rechts war es dagegen kraft Gesetzes nur für letztwillige Verfügungen der
Eltern und Voreltern zugunsten ihrer Nachkommen sowie für die Anordnung
von Vermächtnissen, die zusammen den 20. Teil des Nachlasses nicht über-
stiegen, zugelassen; darüber hinaus war der Erblasser zur Errichtung eines
schriftlichen zeugenlosen Privattestaments nur berechtigt, wenn er zuvor ein
gerichtliches Testament errichtet und sich darin das Recht zur Abfassung außer-
gerichtlicher „Nachzettel“ besonders vorbehalten hatte.¾ Nach bisherigem ge-
meinem Recht endlich war ein schriftliches zeugenloses Privattestament nur für
Verfügungen zugunsten von Nachkommen des Erblassers statthaft.?
b) Nach bisherigem gemeinem Recht waren Vermächtnisse gültig, die der
Erblasser durch eine mündliche Erklärung gegenüber der durch das Vermächtnis
belasteten Person angeordnet hatte (Oralfideikommiß). Nach preußischem Recht
galt die gleiche Regel mit der Maßgabe, daß die Vermächtnisse den 20. Teil
des Nachlasses nicht überschreiten durften. 10
c) Neben dem zeugenlosen Privattestament und dem Oralfideikommiß oder
an dessen Stelle war im ganzen Rechtsgebiet auch das öffentlich vor einer
Behörde errichtete Testament anerkannt: es mußte im größten Teil des preu-
Hischen Landrechtsgebiets vor einem Amtsgericht, in Bayern und dem franzö-
sischen Rechtsgebiet vor einem Notar errichtet werden.11
Daneben war in vielen Gebieten des bisherigen gemeinen Rechts auch eine öffentliche
Testamentserrichtung vor sieben (1) oder, wenn es sich nicht um die Einsetzung von Erben,
sondern nur um die Anordnung von Vermächtnissen handelte (sog. „Kodizill“), vor fünf
Privatzeugen zugelassen; die Testamentserrichtung vor diesen Zeugen konnte rein mündlich
geschehn; nicht einmal die Aufnahme eines Protokolls war nötig. 12 Ubereinstimmend war
das sächsische Recht, nur daß es die Zahl der Zeugen allgemein auf fünf herabsetzte.
d) Im bisherigen gemeinen Recht war bestimmt, daß, wenn ein Testament schriftlich
errichtet, aber der Text des Testaments nicht vom Erblasser eigenhändig geschrieben wurde,
alle in dem Testament zugunsten des Schreibers und seiner Angehörigen getroffenen Zu-
wendungen nichtig sein sollten (8C. Libonianum). 14
4. Gemeinschaftliche Testamente waren allgemein zugelassen im bisherigen
gemeinen und sächsischen, allgemein ausgeschlossen im französischen Recht; nur
zwischen Ehegatten zugelassen waren sie im preußischen Landrecht. ½
6) Dernb. 3 §8 89, 90; pr. LR. II, 2 88 521 ff., 545.
7) C. c. 970.
8) Pr. LR. II, 2 8§§ 380 a, 383; I, 12 § 161, Anh. 8§ 35.
9) Dernb. 3 8 72, 4.
10) Dernb. 3 § 75; pr. LR. 1I, 12 § 172.
11) Pr. LR. I, 12 §s 66; c. c. 971; bayr. Notariatsgesetz v. 1861.
12) Dernb. 3 §§ 70, 74. 13) Sächs. GB. 2100.
14) Dernb. 3 § 81.
15) Dernb. 3 § 974; sächs. G. 2196; c. c. 1097; pr. LR. 1, 12 § 614.