58 Buch III. Abschnitt 1. Das Sachenrecht im allgemeinen.
aber, ganz anders als die Eintragungen des Grundbuchs, auf Offenkundigkeit
keinerlei Anspruch erheben kann. Im Gegenteil, der Besitzstand ist bei Fahr-
nissachen oft so versteckt, daß selbst die Nächstbeteiligten sich darüber im un-
klaren befinden können und niemand mit Sicherheit zu bestimmen vermag, wie
im Streitfall die Prozeßgerichte die Besitzfrage entscheiden werden.
6) Zweitens kommt in Betracht, daß die Funktion des Besitzstandes als
eines Anzeichens für den Rechtsstand regelmäßig bei solchen Sachen ver-
sagt, die dem Eigentümer gestohlen, verloren gegangen oder sonst abhanden
gekommen sind (935, 1032, 1207, 1208). Denn auch das Abhandenkommen
einer Sache kann sich im Dunkeln abspielen, sodaß der Erwerber schlechter-
dings kein Mittel hat, um festzustellen, ob die Sache zu den abhanden
gekommenen zählt oder nicht.
Beispiele s. unten in der Lehre vom Besitz und Eigentum.
Im Gegensatz zu mir behauptet H. Meyer, auf den Wegen Goethes, „des großen
Wirklichkeitssuchers, des Meisters im Schauen"“ wandelnd, daß das Publizitätsprinzip auch
im Fahrnissachenrecht gelte.: Ich könnte mir vorstellen, daß man auf Goethes Pfaden auch
zu einer andern Ansicht gelangen kann.
b) Ein andrer wichtiger Unterschied ist, daß die Fiktion, aus dem Besitz-
stande an einer Sache lasse sich der Rechtsstand an ihr unfehlbar ableiten,
nicht bloß gegenüber einer Partei versagt, die die Unrichtigkeit der Fiktion
gekannt, sondern auch gegenüber einer Partei, die sie aus grober Fahrlässigkeit
verkannt hat (932 II, 1032, 1207).
Beispiel. A. ist im Grundbuch als Eigentümer eines Landhauses eingetragen und ist
auch im Eigenbesitz aller darin befindlichen Möbel; nun veräußert er Haus und Möbel an
B.; in Wirklichkeit gehörten aber Haus und Möbel dem C., und B. hat dies nur aus grober
Fahrlässigkeit nicht bemerkt. Hier erlangt B. das Eigentum des Hauses, nicht aber auch
das der Möbel.
3. Im übrigen kann auf die allgemeinen Grundsätze des Fahrnissachenrechts
an dieser Stelle noch nicht näher eingegangen werden. Denn sie setzen, wie
schon aus den bisher gegebenen Andeutungen folgt, eine genaue Kenntnis der
erst im folgenden Abschnitt darzustellenden Besitzlehre voraus.
II. Eine dem Grundbuch verwandte Einrichtung ist im Fahrnissachenrecht
nur für Schiffe eingeführt, das „Schiffsregister“. Doch bleibt dessen Dar-
stellung besser dem Handelsrecht überlassen.
Anhang. Rüchblick auf das bisherige Recht.
184.
I. Der Begriff des dinglichen Rechts ist schon dem Mittelalter bekannt
gewesen. 1 Doch ist er gerade wie der des Forderungsrechts erst seit der
Rezeption zu voller theoretischer Klarheit durchgedrungen.
2) H. Meyer, Publizitätsprinzip (09) S. VII, 2.