5 184. Alteres Grundbuchrecht. 59
Das preußische Recht hatte den Unterschied zwischen Forderungen, die sich auf eine
individuell bestimmte Sache bezogen, und dinglichen Rechten dadurch abgeschwächt, daß es
ersteren wenigstens eine beschränkte Wirksamkeit gegen Dritte verlieh: jeder Dritte, der in
Kenntnis der Forderung den Besitz der Sache oder ein im Grundbuch eingetragenes Recht
an der Sache erwarb, mußte die Forderung gegen sich gelten lassen.¾ Man drückte dies in
Anknüpfung an einen mittelalterlichen Sprachgebrauch durch die Formel aus, daß der obli-
gatorisch Berechtigte zwar kein Recht „an“ der Sache, wohl aber ein Recht „zur“ Sache (jus
ad rem) habe." Doch hatte schon die neuere preußische Grundbuchgesetzgebung diese Regel
in Ansehung von Grundstücken fast ganz beseitigt."
II. 1. Grundbücher sind schon im späteren Mittelalter ziemlich häufig an-
gelegt worden.? Da die Rechtsgeschäfte über Grundstücke regelmäßig vor ge-
wissen Behörden (Gericht, Stadtrat) abgeschlossen werden mußten oder
wenigstens tatsächlich vor ihnen abgeschlossen wurden, ergab es sich von selbst,
daß diese Behörden die über die Rechtsgeschäfte ausgenommenen Urkunden
sammelten und in einem Urkundenbuch aufbewahrten. Sobald man nun, wie
en vielerorts geschah, streng darauf hielt, dies Urkundenbuch übersichtlich zu
gestalten und nur Rechtsgeschäfte über Grundstücke darin aufzunehmen, und
sobald man, wie es gleichfalls vielfach Rechtens wurde, dazu überging, gewisse
Anderungen in den Rechtsverhältnissen der Grundstücke nur für wirksam zu
erklären, wenn sie in dem Urkundenbuch eingetragen waren, war ein Grund-
buch im modernen Sinn geschaffen.
2. Seit der Rezeption sind die Grundbücher sehr vernachlässigt worden,
da die Römer eine amtliche Registrierung der Grundstücksgeschäfte nicht ge-
kannt hatten. Immerhin hielt man wenigstens in einem Teil Deutschlands
an der Einrichtung der Grundbücher unentwegt fest oder kehrte doch nach
kurzem Schwanken entschlossen zu ihr zurück.“ So hat namentlich Branden-
burg-Preußen die Grundbucheinrichtung niemals ganz eingehn lassen: das
preußische Landrecht und die einige Jahre ältere preußische Hypothekenordnung
führten die Grundbücher (sog. Hypothekenbücher) nicht etwa neu ein, sondern
setzten sie als vorhanden voraus.7
3. In neuerer und neuester Zeit hat sich die Grundbucheinrichtung unter
der Führung von Preußen, Sachsen und Mecklenburg fast über ganz Deutsch-
land verbreitet. Doch nahm sie in den einzelnen deutschen Staaten eine sehr
verschiedene Gestalt an.
1) Heusler, Instit. 1 S. 677; Hübner S. 161. Abw. Stobbe 1 § 66. Vgl. auch
Laband, vermögensrechtliche Klagen (69) S. 7, 69, 262, 276.
2) Pr. LR. I, 10 § 25, 19 89 5.
3) Ziebarth, Realexekution (66); v. Brünneck, über den Ursprung des sog. jus ad rem
(69); Heusler, Instit. 1 S. 380.
4) Pr. Eigentumserwerbsges. 4, 15.
5) Aubert-Doublier, Ztschr. d. Sav.-Stift., germ. Abt. 14 S. 1. Rehme, z. Gesch. d.
Münchner Liegenschaftsrechts (00); derselbe über die Breslauer Stadtbücher (09); Hübner
S. 215.
6) Stobbe, Jahrb. f. Dogm. 12 S. 137; St.-Lehmann 2 § 105.
7) Dermb. u. Hinrichs, preuß. Hypothekenrecht 1 S. 6