770 Buch VIII. Abschnitt 2. Die Berufung zur Erbschaft.
Wissen eigner Nachkommenschaft entbehrt, für die Zeit nach dessen Tode einen
Nacherben bestellt, so ist anzunehmen, der Nacherbe sei nur für den Fall ein-
gesetzt, daß der Vorerbe ohne Nachkommenschaft stirbt (2107).
Beispiele. I. A. hat sein einziges Kind, die kinderlose Witwe B., zur Vorerbin
auf Lebenszeit eingesetzt und die Stadt C. zur Nacherbin bestellt; wider Erwarten geht die
B. nach des Vaters Tode eine zweite Ehe ein, und diese Ehe ist mit einem Kinde gesegnet.
Hier verliert die Stadt C. ihr Nacherbrecht. II. Dasselbe ist der Fall, wenn die B. nach
des Vaters Tode ein Kind adoptiert.
Hat der Erblasser einen Nacherben eingesetzt, ohne die Voraussetzungen zu bestimmen,
unter denen dessen Nacherbfolge eintreten solle, so ist anzunehmen, daß der Vorerbe auf
Lebenszeit Erbe sein und erst bei seinem Tode der Nacherbe ihm folgen solle (2106 D.
e) Die Anordnung einer Nacherbfolge wird derart unwirksam, daß der
Vorerbe die Erbschaft endgültig behält, wenn dreißig Jahre seit dem Tode des
Erblassers verstreichen, ohne daß der „Fall“ der Nacherbfolge eingetreten ist
(2109); steht von vornherein fest, daß der „Fall“ nicht binnen jener Frist
eintreten kann, so ist die Anordnung der Nacherbfolge von vornherein
nichtig. Doch gilt eine Ausnahme: erstlich, wenn die Nacherbfolge für den
Fall angeordnet ist, daß in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein
bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis ein-
treten soll, schon zur Zeit des Todes des Erblassers lebt oder gezeugt ist;
zweitens, wenn dem Vor= oder einem Nacherben für den Fall, daß ihm Ge-
schwister geboren werden, diese Geschwister als Nacherben bestimmt sind; die
Ausnahme fällt fort, wenn der Vor= oder Nacherbe, in dessen Person das ent-
scheidende Ereignis eintreten soll, eine juristische Person ist (2109, 2108 D.
Beispiele. I. A. beruft den B. als Vorerben; vom 1. April 1935 ab soll C. Nacherbe
sein. Hier ist die Einsetzung des C. nur gültig, wenn A. nach dem 1. April 1905 stirbt.
II. D. beruft den E. als Vorerben; Nacherben sollen die Kinder des F. sein, sobald sie
heiraten; F. hat zwei Kinder G. und H., von denen G. 1901, H. 1904 geboren ist; G.
heiratet 1940, H. 1936; D. ist 1902 gestorben. Hier ist die Einsetzung des G. trotz des
Ablaufs der 30 Jahre wirksam, weil das entscheidende Ereignis seine Person betrifft und
er beim Tode des Erblassers bereits gelebt hat. Dagegen ist die Einsetzung des H., obschon
er früher als G. geheiratet hat, unwirksam, weil er erst nach dem Tode des Erblassers ge-
zeugt ist. III. J. berust den K. als Vorerben unter der Bedingung, daß K. und seine
Familie sich aller Alkoholgenüsse ausnahmslos enthalten; als Nacherbe wird L. ernannt. Hier
wird L. Nacherbe, wenn fünfzig Jahre nach des Erblassers Tode K. in eigner Person ein
Glas Bier trinkt; dagegen hat ein Trunk, den sich Frau K. gestattet, den gleichen Erfolg nur
in den ersten 30 Jahren nach dem Tode des Erblassers. IV. Als Vorerbe ist M., als Nach-
erbe die Stadt Berlin eingesetzt, sobald sie durch Eingemeindung Charlottenburgs zu „Groß-
berlin“ geworden ist; die Eingemeindung erfolgt aber erst 40 Jahre nach des Erblassers
Tode. Hier wird „Großberlin“ nicht Nacherbin. V. Vorerbe ist N.; nach dessen Tode soll
der Reihe nach das jeweilig jüngste Kind des O. Nacherbe sein; der Erblasser stirbt 1900;
N. stirbt 1920; seit 1919 werden dem O. alle zwei Jahre Kinder geboren. Hier werden
diese Kinder sämtlich Nacherben, jedes auf 2 Jahre, einschließlich derer, die nach 1930
geboren werden.
1) Die Anordnung der Nacherbfolge ist auch dann unwirksam, wenn der
als Nacherbe Berufene die Erbschaft ausschlägt oder wenn als Nacherben die
gesetzlichen Erben des Erblassers berufen sind und gesetzlicher Erbe der Fiskus